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beim nahenden Schnitt gut sei, und Krapfen, insbesondere Hollerkrapfen, das sind Bluten-
dolden des Holunders aus dem Schmalz gebacken, gegessen. Altheidnischer Brauch und
Glaube sind hier gar nicht zu verkennen. Der Sonnengott Balder ist todt; die Götter
begehen trauernd die Todtenseier; Nana, seine Gemalin, verbrennt sich mit ihm auf dem
Scheiterhaufen. Die christliche Sage hat dieser Feier eine andere Deutuug gegeben. Im
unteren Mühlviertel erzählt man: „Als Herodes den heiligen Johannes gefangen nehmen
wollte, trug er den Schergen auf, au der Stelle, wo ihnen der Bußprediger in die Hände
fiele, zur Stunde ein Feuer anzuzünden, damit er so schnell als möglich davon erfiihre.
Sie thaten es, aber siehe, zu gleicher Zeit brannten rings auf allen Höhen Feuer, so daß
der König völlig irre wurde und nicht wußte, wie er daran sei. Darum zündet man noch
heute die Johannesfeuer an.
Das Gegenstück zur Feier der Sommersonnenwende bildet jene der Wintersonnen-
wende, die sich jetzt hauptsächlich auf die „Zwölfnächte" (25. December bis 6. Jänner)
concentrirt hat, der aber auch jetzt noch, ohne daß man sich des Ursprunges bewußt ist,
eine Vorfeier vorangeht, die schon mit dem Martinstag (11. November) oder jedenfalls
mit dem Nikolaustag (6. December) beginnt.
Vom Martinstag, an welchem noch jetzt so viele Gänse ihr Leben lassen müssen zur
Erinnerung an einen altheidnischen Festcultus, bis zu den heiligen Dreikönigen treibt nach
volksthümlicher Meinung noch der „wilde Jäger" sein Unwesen. Am Nikolaustag aber
öffnete sich der germanische Götterhimmel; die Götter gingen alle auf Erden herum und
kehrten segenspendend und die Zukunft verkündend bei den Menschen ein. Recht lebendig
hat uns dieses die Art und Weise gezeigt, wie man in Windischgarsten den Nikolausabend
begeht; Wodan der Allwissende, dem seine Raben Alles melden, Berchta die Gütige, Thor
der Gott mit dem Bocksgespann und die freundliche Sif u. f. w. treten uns als Nikläherr
und Niklafrau, als Krampus und Habergeiß entgegen n. s. w. Selbst die sonderbar
gestalteten Brode, welche der Nikläherr an die bräven Kinder vertheilen läßt, melden von
altem Göttercultus; die in Brod nachgeahmten Thiergestalten erinnern an ehemalige
Thieropfer; das Christenthum hat diesen Brodformen eine andere Verwendung gegeben.
Auch die Reiche der Elfen, Zwerge und Riesen thaten sich auf in diesen Tagen;
die Überirdischen wandeln unter den Menschen und diese feiern ihr Nahen mit Opfern,
besonders in der Zeit der Zwölfnächte. Die heidnischen Skandinavier begingen um eben
diese Zeit das große Julsest. Noch jetzt dauern die Opfermahlzeiten unserer heidnischen
Vorfahren in den sogenannten Rauh- oder Rauchnächten fort, an welchen außer den
Gerichten, welche sonst an Festtagen auf dem Tische erscheinen, die Krapfen (Opferkuchen)
und besondere Arten Brodes, die Störi, mit und ohne Kletzen, das sind getrocknete Birnen,
eine Hauptrolle spielen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch