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überreifen Baustiles. Von den gothischen „Brüsseler-Spitzen aus Stein" lernte Salzburg
nichts kennen. Durch seine Gothik ging vom Anfang bis zum Ende ein naturwüchsiger,
rustikaler, im Gegensatze zu dem von Hierarchie und Adel getragenen Romanismus
geradezu demokratischer Zug.
In dem besprochenen Sinne, freilich auch nur in diesem, darf man das XV. Jahr-
hundert als eine Blütezeit der Architektur in Salzburg bezeichnen. Erwägt man noch die
rege Bauthätigkeit, die dazumal neben dem kirchlichen auch auf profanem Felde herrschte,
wie auch den großen künstlerischen und gewerblichen Bedarf zur stilgerechten Ausstattung
und Ausschmückung der vielen Bauten, so wird man jenes glückliche Jahrhundert wohl
besser noch eine Blütezeit des gesammten heimischen Kunst- und Gewerbelebens nenne».
Die S t a d t S a l z b u r g besitzt unter ihren 34 Kirchen gegenwärtig noch acht
gothische, die sich ihren Baustil wenigstens nach einer Seite, nach innen oder außen,
ziemlich unversehrt bewahrt haben. Den ersten Platz nimmt die schon einmal genannte
Franciscanerkirche U. L. Frau oder genauer die östliche gothische Hälfte derselben
sammt dem Thurme ein. Sie ist ein kühner Quaderbau von ansehnlichen, oben bereits
angegebenen Dimensionen, aus dem augenscheinlich eine großartige Hallenkirche hätte
werden sollen. Wie es der Gothik nicht selten passirte, blieb das Werk auf halbem Wege
stecken und ließ von der älteren romanischen Kirche das Langhaus stehen. So entstand ein
Ganzes von eigenartiger, fast bizarrer Wirkung, nicht ohne malerischen Reiz. So schwer
und düster die eine Hälfte, so hochräumig, leicht und hell ist die andere.
Dieser gothische Theil der Kirche zeigt nach anßen kahle ungegliederte Wände, die
nur durch ein Kranzgesimse mit Bogenfries belebt und von mächtigen Fenstern mit Maß-
werk durchbrochen sind. Bei weitem wirkungsvoller ist der Jnnenranm. Er präsentirt sich
als Hallenbau mit weitgezogenem Polygonen Schlüsse (siebenseitig aus dem Zwölfeck)
und drei gleich hohen Schiffen, von welchen die beiden Seitenschiffe als sogenannter Chor-
umgang das mittlere im Halbkreise einschließen. An diesen reiht sich noch ein Kapellenkranz
zwischen den nach einwärts gezogenen Strebepfeilern. Letztere nebst fünf freistehendeil
Rundpfeilern von schwindelnder Schlankheit und Höhe tragen das Gewölbe, ein über-
künstelt verschlungenes Rippennetz, das in unzähligen Falten und Biegungen sich über
deni luftigen Raume schwingt. In Anlage wie Durchführung läßt das Bauwerk eiue
gewisse Verwandtschaft mit der Münchener Frauenkirche nicht verkennen, mit der es ja auch
die Herkunft aus gleicher Schule gemein hat.
Der Neubau der Kirche war ein Werk der Genieinde mit Beisteuer aus allen
Kreisen des Volkes. Den Meister des Baues gelang es erst in jüngster Zeit völlig zweifel-
los zu ermitteln. Es war ein Altbaier aus der berühmten Landshnter Bauhütte, Hans
Stethamer vou Burghausen, in Ober- »nd Niederbaiern viel gesucht und beschäftigt,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Band 6
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Oberösterreich und Salzburg
- Band
- 6
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.03 x 24.86 cm
- Seiten
- 650
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch