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etwas zum Leben Hinzugekommenes, ja oft als etwas Feindliches, etwas Dämonisches,
wie denn überhaupt alles Ungemach dem gemeinen Mann entweder als eine Heimsnchnng
Gottes oder als ein Ausfluß des Übelwollens tückischer Geister erscheint. In diesem Sinne
hat sich denn auch das Volk seine eigenen Heilmethoden und Heilmittel zurechtgelegt. Es
sind theils natürliche Gegenstände aus dem Haushalte der Natur, theils mystischer oder
sympathetischer Art, sußeud auf geheimuißvollen Worten nnd Handlungen. Hierbei greift
das Volk nicht selten zu Mitteln, welche, statt die Sanirnng zu vermitteln, das Übel
vergrößern und endlich unheilbar gestalten. „Übles Übel mnß man mit Üblem vertreiben",
lautet ein allgemeiner Grundsatz, nnd deshalb sucht mau die persouificirte Krankheit,
je nachdem sie einen Menschen „befallen, gepackt, niedergeworfen oder dahingestreckt, sich
hinzugeschlagen oder zurückgeschlagen" hat oder „herausgetreten" ist, durch Zufügnug
der unangenehmsten Eindrücke zum Weichen zu bringeu. Wo natürliche Mittel nicht
ausreichen, werden geheime, mystische oder sympathetische als letztes Nettnngsbrett beim
Schiffbruche der Gesundheit angewendet, doch setzt ihr Gebranch immer den wahren
Glanben an die Wirksamkeit der Procedur voraus.
Gleich der Krankheit personisieirt das Volk auch den Tod. Dieser „sitzt dem Menschen
ans der Zunge" oder „schaut ihm bei den Augen herans" und dergleichen. Er ist für den
gemeinen Mann ein tückischer Dämon, der stets erscheint, wenn er gernsen wird. Deshalb
hütet man sich auch, ihn nur zu nenueu, was ja nach dem Volksglauben dem Rufen
gleichkommt, uud es deutet der Obersteirer beispielsweise das Hinscheide» eines Dienst-
boten und die Todesursache zugleich durch die Umschreibung „die Unschlachten hobn
's Mensch gstochn"' aus.
Als die erste Bekanntgabe von einem eingetretenen Todesfall gilt das Verbrennen
des Bettstrohes, auf dem der Verstorbene gelegen. Ist während des Verscheidens eine Uhr
stehen geblieben, wird sie sogleich wieder aufgezogen, damit die Seele des Verstorbenen
sich leichter aufwärts schwinge. Um die Streckung eines Leichnams zu erleichtern, wird in
einigen Gegenden des obersteirischen Murthales über denselben der ganzen Länge nach ein
dünner Faden gespannt; dies verhindert auch das Stehlen des Leichnams. Die Aufbahrung
geschieht in der gewöhnlichen Weise. Das „Leichhüten" und „Urlaubnehmen" ist noch
vielfach in Übuug. Bei.dem Leichenbegängnisse schreitet häufig dem Sarge bald voran, bald
hinten uach ein Weib mit einer Laterne in der Hand, gewöhnlich dasselbe, welches den
Verstorbenen gewaschen und ihm das „Sterbhemd" angezogen hat. In Eisenerz war es
Sitte, daß bei dem Leichenzuge ein Stück Leinwand seiner ganzen Länge nach über den
Sarg gespannt nnd ein Theil voraus, der andere aber nachgetragen wurde; dasselbe fiel
dauu der Kirche zu.
' Die Magd ist an den Pocken gestorben.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch