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dem Gottesdienst im Markte beizuwohnen; die Rückfahrt erfolgt am Sonntag Nachmittags
sowie die Hinausfahrt in von jungen kräftigen Burschen geleukteu Fahrzeuge», de»
„Plätten". Die Abfahrt von der Alpe geschieht, wenn sich kein Unglück ereignet hatte,
stets festlich. Viele „Schwoagerinnen" oder „Breutleriuueu" pflegen hierbei unterwegs
die ihnen begegnenden Bekannten mit „Säuerlingen" oder „Rnmpelnndeln" zu betheileu.
Häufig ist auch ein Spaßvogel dabei, der das Borstenvieh begleitet und deshalb der
„Sautreiber" genannt wird; sein Gesicht ist geschwärzt, seine Kleidung mitunter mit
„Graß" (Reisig) und dergleichen besteckt, und mit dem Ofenruß, den er in einem Säckchen
an der Seite bei sich trägt, macht er jeden, der ihm nnterkommt, schwarz. Ein eigen-
thümlicher Brauch ist auch der, daß, wenn während des Sommers Jemand aus der Familie
des Alpeubesitzers gestorben ist, die „Glockeukuh" beim Heimtriebe zum Zeichen der Trauer
einen schwarze» Flor auf der Stirne trägt.
Ist das Vieh von der Alpe herab und in den Stallungen einqnartirt, so obliegt
dem Gebirgsbauer die Sorge für das viele, den langen Winter hindurch erforderliche
„Streu"; da heißt es nnn „graßschuatteu", eine schwierige Arbeit und nicht minder
gefährlich als das „Gleckschneiden" der Schwoagerinnen. Mit dem „Steigeisen" an den
Füßen klettern die flinken Bursche leicht uud behende wie die Eichhörnchen die schlanken
Fichtenstämme hoch hinan und hacken die tanglichen Äste herunter, die dauu auf Karren
geladen und heimgeführt werden, wo sie bis zn ihrer Verwendung in Hänfen aufgeschichtet
bleibe». Den Schluß dieses mühevollen Tagwerkes bildet dann das „Graßschnattermahl".
Die Ausübung älterer Rechtsgebräuche ist, iusoserue sie mit den Institutionen
der Gegenwart noch im Einklänge stehen, stets eine festliche, so z, B. die Grenzerneneruug
oder „Rainung" der Gemeindebesitzungen, welche in unterschiedlichen Fristen, gewöhnlich
alle zehn Jahre stattfindet. Die angesehensten Männer der Gemeinde gehen mit ihren
Söhnen längs der Grenzen der Gemeindegründe und fordern die Söhne auf, die Grenz-
steine zu suchen. Jeder Bursche, welcher einen solchen gefunden, erhält nun vom Ältesten
der Gemeinde oder vom Gemeindevorsteher eine Ohrfeige und eiu Geldstück; zugleich
wird der so Bedachte und mit ihm anch jeder der übrigen auf das „Roaustausuachen"
Ausgezogenen ernstlich ermahnt, an dem Marksteine ja nicht zu rütteln, das heißt ihn
nicht zu versetzen, und diese altererbte Sitte der Väter stets in Ehren nnd anch in Zukunft
aufrecht zu erhalte». Solche Beraiuuugeu sind stets ein wichtiger und feierlicher Gedenktag
für die männlichen Bewohner des Ortes. Besonders festlich wurden die Burgsrieds-
berainuugeu in Radkersbnrg und die Waldberaiuuugeu der Leobeuer Bürgerschaft begangen.
Der gleiche Vorgang wie bei den öffentlichen Grenzbegehungen wiederholt sich anch im
engeren Kreise der eiuzelueu ländlichen Besitzer. Wenn ein Bauer seinem Sohn Haus uud
Hof übergibt, so führt er ihn zuvor um seine ganze Besitzung hernm, nennt bei jedem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch