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sich derselbe recht mannigfach zum Abschlüsse. Bald gilt der Traet allein, und fast nie
fehlt ihm der Dachreiter, denn das Gut ist eiue kleine Herrschaft und das Thürmchen gilt
als ihr Zeichen. Dann gibt es welche, die noch Thürmchen an den Ecken tragen. Andere
haben die Traete gekoppelt nebeneinander, andere kreuzen sie, oder lehnen sie in geradem
Winkel an einer Ecke aneinander, oder fügen dem einfachen Tracte zwei Flügel nach
rückwärts an, oder stellen in gewisser Entfernung parallel einen zweiten auf und verbinden
die beiden Schmalfronten durch einen Gang mit Thorthurm. Andere heben den einfachen
Tract durch einen Thurm an der Breit- oder an der Schmalfront, oder mit zwei Thürmen
an ersterer oder an einer Schmalseite, oder je an der vorderen und rückwärtigen Breitseite,
oder an drei Ecken, und hängen gelegentlich noch Erker an. Diese Bauten zeigen fast stets
ungemeine Zierlichkeit nnd athmen ländliches Behagen. Gelegentlich äußert erstere sich
überraschend, wie bei Klingenstein, dessen Baumeister darin ein kleines Meisterstück
geschaffen. Die Zahl dieser Gutshöfe war ungemein groß im Lande und noch heute habeu
sich viele mit ihren ursprünglichen Reizen erhalten.
Das Wehrhafte, wie Umfangsmauern, Thürme und Erker, kommt dabei allerdings
nur mehr erinnerungsweise vor. Die Zeiten sind eben sicherer geworden, die öffentliche
Macht ersetzte die Wehrpflicht, welche vordem von Burg nnd Schloß Jeder für sich
besorgte. Und da tritt denn der merkwürdige Fall auf, daß zuweilen ein solcher Gutshof
auffällig einem Edelhofe fränkischer Zeit gleicht: ein Langeck, hinter leichtem Graben
eine bescheidene Mauer, welche das Wohnhaus, die Wirthschaftsgebäude uud die Gemüse-
und Lustgärten einschließt. So hat denn die Gesammtheit des Edelsitzes Frendenan
bei Radkersburg im XVII. Jahrhundert ein blos nach Mitteln der Zeit behaglicheres,
sonst aber in Umgrenzung und Gliederung vollkommen ähnliches Seitenbild zu einem aus
Frankreich bekannten Edelhofe des IX. Jahrhunderts abgegeben. Fast dasselbe läßt sich
auch von Gleinstetten sagen.
In diesen Wohngestalten geht also die Zuthat für die Wehrkraft mehr uud mehr
verloren, und aus den Burgen sind allmälig geschlossene Wohnsitze geworden. Dieses
Moment bleibt für alle Folge, begünstigt durch die wachsend auftretende Neigung des
Hochadels für französische Prunksucht. Mit der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
begann man in Steiermark den breiten, aber sehr bequemen Stil der französischen Schlösser
zu pflegen: damals wurde Frauenthal bei Dentsch-Landsberg in dieser Art umgestaltet, auch
Ebeusfeld im Draufelde und namentlich das kleine, zierliche Schlößchen Kilbel. Dagegen
liegt in dem Umbaue des feudalmassiveu Burgfeistritz in ein massiges französisches Herren-
schloß schon eine bedeutendere Leistung vor und ebenso in jener von Tannhausen.
Von da ab erlahmt das steiermärkische Schlösserwesen. Das hängt mit dem
Bermögensverfalle im steirischen Adel zusammen. Man lebte gern in den Städten uud
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Band 7
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Steiermark
- Band
- 7
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1890
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.09 x 22.51 cm
- Seiten
- 432
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch