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Weißdorn durchstoßen. Der Vampyrismns hat sich bis heute so lebendig erhalten, daß
er im benachbarten Jstrien sogar das Einschreiten des Gerichtes zur Folge hatte. Volkodlak
und Vampyr führen local auch die Namen Premrl (der Erstarrte) uud Vedomec
(der Wissende). Gemeiniglich aber ist Vedomec das persönlich gedachte Irrlicht. Gleich
häufig ist der Glaube an Zauberer, Zauberinnen und Hexen.
Verwandt mit Volkodlak ist Mora, die Todesgöttin der alten Slaven, die heut-
zutage nur noch als ein die Schläfer ängstigendes Gespenst gefürchtet wird (der Alp, die
Trud). Andere Dämonen von geringerer Bedeutung sind uoch Netek, der Vielfraß,
Glodez, das Nagegespenst, welches die Weiber bis auf die Knochen benagt, wenn sie in
der Christnacht über elf Uhr spinnen, Knrent, der Bacchus der Sloveueu, Torka (oder
Torklja), die den Hausfrauen den Spinnrocken verwirrt, wenn sie in den Qnatember-
zeiten die häuslichen Arbeiten nicht lassen können, Jnterman, der vor Sonnenaufgang
den Thau über die Wiesen streut, Mitalo, eiu Dämon in Hnndsgestalt, der Stürme auf
dem Meere erregt zc.
Eine eigene Gruppe bilden die Schlangenmärchen. Die Hausnatter (vx, vc>/),
schützt das Hauswesen vor Unglück. Die Kinder gedeihen, solange sie ihren Antheil Milch
erhält; wird sie erschlagen, so müssen auch jene bald ihr jnnges Leben lassen: sie ist der
Genius des Hauses. In gesteigerter Auffassung ist sie die Schlangenkönigin (kaöja
kraljiea), die Mutter aller Schlangen. Sie trägt eine Demantkrone, deren Zauberkraft
den Gegenstand, zu dem man sie legt (Getreide, Gespinnst, Geld), niemals ausgehen läßt.
Dem Menschen ist sie wohlgesinnt und schenkt ihrem Wohlthäter einen Zauberriug, der
dem Besitzer alle Wünsche erfüllt. Doch furchtbar rächt sie sich als weiße Schlange
(tiela kaöa) an dem Schlangenbeschwörer, der mit seiner Pfeife Schall alle Schlangen
in den Bannkreis des Feuers lockt und vernichtet: sie reißt ihn mit sich in den Flammentod.
Die Schlange ist endlich eine verzauberte Jungfrau und hütet unterirdische Schätze.
Im Laufe der Zeiten haben viele Märchen die mythische Bedeutung völlig eingebüßt.
Sie wurden die Form, in welche das Volk seine ethischen Anschauungen kleidete, wohl
auch seinen Witz und Humor spielen ließ. Zu deu ersteren gehören die Teufelssageu.
Der Teufel ist infolge der Christianisirnng eingedrungen und hat den Gewitterdrachen
ersetzt. Doch diese Auffassung wird ganz verdunkelt durch die ethische Bedeutung des
Höllenfürsten. Das ethische Märchen stellt sich überall ans Seite des Rechtes und führt zu
dem von der Volksmoral geforderten Ende. Besondere Erwähnung verdienen jene
Märchen, die den Ursprung vou Gegenständen in der Natur oder deren
Eigenschaften angeben, z. B. von den drei Schwesterflüssen Drava, Sava, Soca;
warum die Slovenen mit Vorliebe das Haidekorn anbauen; wie die Biene entstanden und
warum die Linde ein so schöner Baum ist. Jeder Mensch hat einen Stern; derselbe
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kärnten und Krain, Band 8"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Band 8
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kärnten und Krain
- Band
- 8
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.41 x 23.03 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch