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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 98 -
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98 Doch steht es nur der Gattin oder Mntter zu, ihre Klage sv in Liedesform zu kleideu. Die jüngeren Frauen und die Mädcheu schluchzen still vor sich hin, die Mänuer steheu barhäuptig, mit verhülltem Gesicht am Kopfende des Sarges. Nicht selten flechten sich in den Klagegesang Sprichwörter und gauze Volkslieder- strophen. So erschallt nm einen Jüngling, der schlimm geendet, die Selbstanklage der Mutter: „Deine Mutter war ich, Warst ei» biegsam Zweiglein, Hab' dich nicht erzogen, — ^ Hab' dich nicht gebogen. . ." Nachdem der Abschieds- und Trauergesaug verklungen, setzt sich das Leichengefolge vom Hofe ans in Bewegung. Die nächsten Verwandten heben den Todten auf, wobei sie besouders darauf achten, daß er nicht mit dem Kopfe, sondern mit den Füßen voraus hinweggetragen wird. Eine ganze Schar Sängerknaben und Schulkinder geht voran, ihnen folgt das geistliche Personal, diesem der Todteuwagen, dem die Trauernden, die Frauen mit verhülltem Gesicht, die Männer mit abgenommenem Hute, folgen. Hinterdrein wogt das Gedränge des Publikums; meist ist die Zahl derer, die die letzte Ehre erweisen, stattlich, ja sehr beträchtlich, zuweilen strömen ganze Volksmengen zusammen. Selbst das ärmlichste, verborgeuste oder verschollenste Lebeu erhält in Ungarn Dank der allgemeinen Pietät die letzte Weihe eines ansehnlichen Todtengesolges. Man geht mit bis ans Grab und verweilt dort, bis das Holzkreuz eingesetzt ist. In der Regel schlägt der Leichenzug, selbst wenn es einen großen Umweg kostet, die Hauptstraße« ein. Wenu man das Grab verläßt, geht man nicht gleich nach Hause, sondern zerstreut sich im Friedhofe, Jeder sucht seine eigenen Todten auf uud neigt sich auf ihr Kreuz nieder, um mit ihrem Stanbe stille Zwiefprach zu halteu. Ein Bursche wird durch Burscheu, ein Mädchen (im blaue» Sarge) vou Mädcheu uud Burschen abwechselnd anf die Arme oder hier und da auf die Schultern gehoben, auf „Sanct Michaels Rößlein" (volksthümlich für „Tvdtenbahre") hinausgetragen. Den Musikanten ehren seine Banda-Genossen mit eiuer Trauermusik. Wie bei Hochzeiten, so liebt man auch bei Begräbnissen den Prunk. Vom Spital oder vou der Todteukammer aus bestattet zu werde», wäre jedem ein entsetzlicher Gedanke. Selbst im ärmste» Hause wird der Todte aus einem reinlichen, geschmückten Katafalk ausgestreckt nnd bekommt seine Nachtwachen. Wie die Braut, sv uimmt auch der Todte seiue Ausstattung mit sich. Sammtdecken, kupferne oder silberne Buchstabennägel, die kirchliche Assistenz, die Sängerknaben, der Abschiedsgesang, dessen Sänger (der Kautor) an manchen Orten für die namentliche Erwähnung jeder einzelnen Person einen Gulden gutes Geld bekommt, der Leichenwagen mit seinen prächtig behangene» Pferde», die Grüfte, Grabsätile», kunstvollen Kreuze und Statuen, das Alles vertheuert die Trauer, aber das
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
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