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erwähnt, welche dem Alfold Magyareu zur Ehre gereichen, ja ihn in gewisser Hinsicht
sogar rehabilitiren.
Obgleich die weithin gedehnten Städte und Dörfer der Ungarn im Alsöld aus
primitivem Material errichtet und mit feuergefährlicher Bedachung versehen sind, kvmmen
daselbst Feuersbrünste doch nnr selten vor. Mit Stroh wird geheizt, ja sogar gekocht nnd
gebacken, in deu ungedeckten Ställen brennt das Fener den ganzen Tag und im Kreise
nm die Glut her sitzeu die Nachbarn, die Pfeife schmauchend, nnd entscheiden die Geschicke
von Stadt und Land. Und trotzdem vergehen Reihen von Jahren, ohne daß in solchem
Labyrinth von niedrige«, rohrgedeckten Häusern ein Schadenfeuer ausbräche, und während
der letzte« vierzig Jahre ist von der Donau bis zu den Biharer Bergen und von der Mätra
bis an die untere Douau hinab in keiner ungarischen Stadt, in keinem größeren Dorfe
ein bedeutenderes Brandnuglück vorgekommen. Aus dieser Thatsache läßt sich jedenfalls
zum mindesten folgern, daß dieses Volk ordnnngsliebend, reinlich und vorsichtig ist.
Aber es geht daraus auch hervor, daß es uicht rachgierig ist und am wenigsten zu heim-
tückischer Nache geneigt, da es niemals zum gemeinsten Werkzeuge dieser Rache, zur
Brandstiftung greift. Und bricht doch irgendwo ein Fener aus, so wissen diese zimnier-
kunstgewaltigen Landleute es bald zu bezwingen; ohne Rennen nnd Schreien, ohne
Commandowort sogar hebeu sie stnmm ihre Äxte, in wenigen Minuten sinkt das Dach
in sich zusammen und die glühende Flngkohle, die der Sturm entführen will, erstickt in
ihrer ehernen Hand.
Das Capitel der Rache sei hier noch mit den folgenden Bemerkungen gestreift. Auf
dem magyarischen Gebiete des Alföld steht es im Allgemeinen besser um die össeutliche
Sicherheit, als diejenigen vermeinen, die das ungarische Volk nur aus Schauerromanen
und der Groschenliteratur kennen. Allerdings hat es sich über das Eigenthumsrecht
besondere Begriffe gebildet, die mit dem geschriebeneu Gesetz nicht durchaus übereinstimmen;
den Jagd-, Fischerei-, Forst-, Weidegesetzen gegenüber findet es sich leicht mit seinem
Gewissen ab und hält es für keiu Capitalverbrechen, anzutasten, was die Natnr „nmsonst"
hergibt uud „was vou der Blüte aus wächst" (Obstartiges); ja es passirt selbst größeren
Landwirthen, daß sie ins verbotene Gehege treiben, so gut wie ihre halbwüchsigen Söhne
nicht fragen, wem das Obst gehört, das sie wegstibitzen; das mit Mühe nnd Arbeit
erworbene Eigenthum aber wird geachtet, bemakelte Leute werden gemieden, Hehler sind
gehaßt und verabscheut. Das leichtblütige juuge Volk, weuu es etwas auszusechteu hat,
sucht den Gegner vssen auf, es kämpft mit dem Knotenstock, nicht mit dem Messer. Sogar
der Viehhirt bestimmt Zeit und Ort der Begegnung voraus und erscheint zum Kamps
mit seinen Knechten. Erst beschießen sich die Gegner mit dem Wurfholze, einem an beiden
Ende» zugespitzten Pflocke aus hartem Holz, später greifen sie zn Beilstock (lokas) nnd
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch