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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 121 -
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121 Confefsionen, wenn sie gemischt wohnen, halten eine der andern Andacht mit allen Utensilien, Ceremonien und Festen in Ehren, nehmen an ihren Wallfahrten theil, besuchen ihre Gottesdienste nnd der gutherzige Greis gedenkt in seinem Testamente der „heiligen Kirche" und der „Ecelesie", iudem er uuter jener die römisch katholische, unter dieser die protestantische Confession versteht; auch ueuuen sie sich nicht anders, weder in amtlicher, noch in gewöhnlicher Rede, als mit dem zarten Worte: „die Verwandten" (at^atiak). So ist denn das ungarische Alsöld niemals der Schauplatz religiöser Zwistigkeiteu gewesen und mit wie vieler Weisheit da die interkonfessionellen Angelegenheiten geschlichtet wurden, zeigt das Beispiel Kecskemets, das in diesem Aufsatz als Typus aufgestellt ist, wo nicht nur bei der Besetzung der sämmtlichen Civilämter traditionelle Rücksicht gegen einander geübt wurde, sondern sogar bei den Abgeordnetenwahlen ein- für allemal der Grundsatz beobachtet wird, daß der Deputirte des eine» Bezirkes Katholik, der des anderen Bezirkes jedoch Protestant sein soll. In den Kirchen herrscht überall musterhafte Ruhe und Ordnung, welche letztere sich besonders beim Verlassen der Kirche deutlich kuudgibt. Zuerst gehen die Mädchen, dem Alter nach, dann kommen die jungen Frauen, endlich die älteren. Hierauf folgt das männliche Geschlecht, erst die Bursche, dann die Männer, zuletzt die Obrigkeit. Alle einzeln, mit leisen Tritten; niemals will Jemand dem Vordermann zuvorkommen. Das wäre auch nicht rathsam, denn er hätte es dann nicht mit dem Hochwürdigen, sondern mit dem Richter zu thun. Ferner aber verwandelt sich der (häufig eingefriedete) Raum vor der Kirche in den richtigen Mittelpunkt des socialen und Gemeiudelebeus. Hier verkündet der Richter die höheren Verordnungen, die Beschlüsse des Gemeinderathes; hier werden die Fragen, welche die Gemeinde betreffen, verhandelt und entschieden. Hier wird die Wochenordnung der öffentlichen Arbeiten festgesetzt, der Beginn des Mähens, des Schnittes, des Einsammelns, der Weinlese, desgleichen der Werth des Taglohnes, besonders für die Sensenlente, ja vor alters wurde hier auch der Schnitterantheil verkündet, wogegen es keine Appellation gab. Zu einer solchen lag übrigens kein Anlaß vor, denn, obgleich die Landwirthe selbst bestimmten, thaten sie dies doch mit so viel Billigkeit, daß die „Armut" dabei nicht zn knrz kam. Das war also ein förmliches kleines Parlament, das in größter Anständigkeit waltete, denn zu dem gebührenden Ansehen des Richters gesellte sich noch das des heiligen Ortes. Wenn aber die Frage tief in Privatinteressen einschnitt oder ein Angriff gegen den Richter bevorstand, dann gab es nicht selten auch heftige Wortfehden, ein Murren riugsum, und streitend zerstreute sich das Volk. Aber das war ehemals nicht nur eiu Parlament, sondern auch ein Gerichtshof. Ward einer beim Stehlen ertappt, oder bei argem Unfug, bei Ehebruch, bei Lästerreden,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
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