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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 272 -
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272 vorhanden, unausrottbar aber ist noch immer der Waldboden, den man jetzt nach allen Richtungen meilenweit von Akazienreihen, welche die Wege einfassen, durchzogen sieht. Das Volk da ist, wie ja der Magyare überall, gastfrei. Kirchweih, Hochzeit, Kinds- tanse, Leichenschmaus, Schweineschlachten, das sind alles Anlässe zu freundschaftlicher Zusammenkunft. Aber anch der fahrende Gast hat keinen Gruud zur Klage. Und bei solchen Gelegenheiten weiß dann die Hausfrau sich auszuzeichnen. „Wer nicht gegessen, was die Frau am Theißufer gekocht uud gebraten, der weiß gar nicht, was gut ist; selbst der König darf das essen", so lautet ein Sprichwort. Der Alsöld-Mensch ist ernsthaft, aber bei seinen Unterhaltungen nichts als Herz. Es ist viel aristokratischer Sinn in diesem großmüthigen, zu jedem Opfer bereiten Volke. Gern macht es Anderen eine Freude, es duldet keiue fremde Traurigkeit neben sich und bemerkt gar nicht, daß es selber bei diesem Bestreben immer tiefer in das Meer seiner Empfindsamkeit versinkt und sich immer traurigere Lieder aufspielen läßt. Die Unterhaltungen der Jugend sind fröhlicher und lärmender. Dabei geschieht es zuweilen leicht, daß die beiden Anführer des jungen Volkes einander zum Kampfe fordern. Die Welt soll es wissen, „wer der Bursch ist in der Csärda", — wie die allbekannte Redensart geht. Die jungen Leute der dickschädligeu Matyös raufen gern. Das untere und das obere Ende von Kövesd führen noch jetzt, wie früher, ganze Feldzüge mit blutigen Schlachte» gegen einander. Der Tanz ist bei den jungen Leuten beiderlei Geschlechts sehr beliebt. Zuweilen huldigen ihm auch die älteren, sind sie doch die Einzigen, die noch das Werber-Solo (verdunkos) zu tanzen verstehen. Übrigens herrscht im Volke Gottesfurcht uud gute Sitte. Es gibt keine frömmeren Katholiken als die an der Theiß. Ihre Wände sind ganz behängen mit Heiligenbildern. Alle tragen Gebetbuch und Rosenkranz und besuchen nicht nur ihre eigene Kirche, sondern wallfahrten selbst in ferne Gegenden. Auch die Männer bekunden vielen Eifer. Der Matyö geht ohne Hut zum heiligen Bruuueu. Dann lesen oder hören sie gerne etwas aus dem Leben der Heiligen. Die Calvinisten sind mehr im östlichen Theile verbreitet. Sie sind rein magyarisch, freiheitsliebend und meistens adelig. Sie hängen sehr an ihrer Religion und besonders zäh an ihrer Überzeugung („hart von Genick"). In religiöse Andacht versenken sich mehr die Weiber. Die Bibel ist bei ihnen ein Familienschatz. Diebstahl ist selten uud die Höfe siud gewöhnlich nicht einmal umzäunt. Ein Mädchen, das einen Fehltritt begangen, wird durch die öffentliche Meinung an den Pranger des Liedes gestellt, — zu abschreckendem Exempel. Das Theißvolk ist ferner aufrichtig und offenherzig. Auch am Ufer des Sajö fehlt diese magyarische Tugend nicht, aber dort ist man eingebildeter, räsonnirlnstiger und weniger leichtgläubig. Dort glaubt man dem Herrn Gevatter nur „gebunden", das heißt nicht so aufs Wort. Und dort kommt auch das bezeichnende Sprichwort vor: „Man fängt den Vogel, wie man kann."
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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