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spricht, überlegt er erst wohl und faßt es dann in gewählte Worte, in deren Aussprache
er sogar dem Magyarischen der Bühne und Kanzel am nächsten kommt. Er macht nicht
leicht Bekanntschaften, daher man auch von einem Menschen, der den nicht sieht, den er
nicht sehen will, zu sagen pflegt: er habe „ein Debreeziner Auge". Seiue Tracht ist eiu
einfaches magyarisches Gewand von blauem Tuch, in früherer Zeit bei Regenwetter ein
grüner „Crispin" mit rothem Kragen, in der Hand trägt er einen langen Spazierstock,
auf dem Kopfe einen breitkrämpigen Hut mit spitz gerundetem Kegel. Kette und Knöpfe von
Silber trägt er nur an Festtagen. Der „Civis" mit einem Vermögen von 100.000 Gulden
kleidet sich genau so wie die Übrigen. Die Handwerker der verschiedenen Gewerbszweige
tragen gleichsam eine Uniform. Der Landwirth und sein Gesinde, der Selcher, Metzger,
Schuster, Gerber, Maurer, Zimmermann, Filztuchschläger, Kürschner, Hutmacher u. s. f.
tragen an Sonn- und Feiertagen Kleider von ganz verschiedenartigem Schnitt und Farbe,
so daß man das Gewerbe eines Jeden an seiner Tracht erkennen kann.
Es gibt Familien, die so ausgedehnt sind, daß man sie schon ein „Heer" (Ka6)
nennt. Uud den Titel eines Debreeziner „Civis-Bürgers" darf Einer nicht mir so nach
Belieben annehmen; nicht einmal" die Geburt gibt noch dieses Recht. Selbst der Sohn
eines Civis-Bürgers wird erst dann ein solcher, wenn er den schweren, strengen Eid ablegt,
an König und Vaterland, an der Stadt Debreezin und allen ihren Privilegien treulich
festzuhalten bis an seinen Tod. Darüber wird ihm ein Diplom ausgestellt und dafür
bezahlt er eine Taxe.
Der Civis-Bürger von Debreezin ist allerdings stolz, — stolz ans seine Stadt, seine
puritanischen Sitten, seinen Vermögens stand, seine Intelligenz und auf seine Obrigkeiten;
dabei aber weiß er, was sich ziemt, erweist Jedem die ihm gebührenden Ehren und ist
gastfrei, obgleich er sich allerdings seine Leute wählt.
Die weniger wohlhabende Classe der Bürgerschaft findet man am besten unter den
Marktzelten. Ein solcher Markt ans diesem oder jenem Platze der Stadt ist förmlich eine
ethnographische Ausstellung der typischen Volksfiguren von Debreezin. Da sieht man in
den langen Gassen von Leinwandzelten den Schneider des tulpengestickten Szür, den Gnba-
Schneider, den Künstler der bunt ausgeuähteu Bunda, den Kürschner, den Autor der
schaftgewaltigen Stiefel, der auch jetzt noch in einer besonderen Halle verkauft, den Töpfer
mit seinen glasirten Krügen und überdies Alles, was zur Befriedigung des menschlichen
Magens dient: eine ganze Gasse voll würdiger Bearbeiter des Schweinefleisches, Basteien
von Speck, Hügel von Bratwürsten und Salami-Batterien mit gezogenen Rohren. Zwischen
ihren Zelten sehen wir die berühmten Debreeziner Lebkucheubäcker und — die wir zuerst
hätten erwähnen sollen — die Marktweiber von Debreezin, welche gewaltigen Wuchses
dasitzen, die Bäckerinnen der Stritzel, Strndel, Prügelkrapfen, die Verkäuferinnen von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch