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Provinz" oder „Temeser Bezirk". Marsigli, der Zeitgenosse Karls III., nannte es „Lunaws
lomesvariensis« und nach dem Ende der Türkenherrschaft entstand eine ganze Schar
von Schriftstellern, welche diesem Bezirk bis auf die neueste Zeit den Namen .l'emesi
(Temeser Banat) gaben, gewiß mit Unrecht, da es niemals einen Temeser
Banns gegeben hat.
Die Verschiedenheit der Benennungen erklärt sich dadurch, daß Temesvär, diese
bedeutende Stadt und Festung der Südgegend, schon seit den ersten ungarischen Königen
gleichsam die ganze Umgebung beherrschte und thatsächlich auch heute den Mittelpunkt der
ringsum grnppirten Comitate bildet. Die Obergespane des Temeser Comitats hatten dort
nicht nur ihren Sitz, sondern übten von dort her, als Capitäne der unteren Gegenden, auch
über die Grenzen ihres Comitats hinaus verschiedene jurisdictiouelle, militärische und
richterliche Gewalten aus.
Temesvär gelangte durch seine glückliche Lage im Laufe vieler Jahrhuuderte zu
hervorragenderer Bedeutung. Im Mittelpunkt der „Provinz" gelegen war es allezeit
Krone, Schlüssel und Hanptsactor jeder Bewegung, welche in der Südgegend dnrch
Kriegführung, Bevölkerungswesen, Betriebsamkeit und Culturarbeit hervorgebracht wurde.
Durch die Flächen seiner humusreichen Umgebung Mängeln sich sechs Flüsse nebeneinander
hin: Temes, Bega, Beregszö, Berzava, Karas und Nera. Diese Flüsse dienten schon in
frühester Zeit nach allen Richtungen als offene Straßen für den starken Verkehr der ver-
schiedenartigsten Völker. Temesvär war die erste Station, wo der Westen sich mit dem
Osten berührte. Dort gründeten die Römer ihre „IVlansic» l'ibiseum« und dort zog auch
die byzantinische Gesandtschaft des Priscus Rhetor durch, als sie Attilas Lager in
Ungarn aufsuchte.
Aus dem Dunkel der Völkerwanderungszeit habeu wir zwar uur weuige und zweifel-
hafte Nachrichten über Temesvär, doch geht man kaum fehl mit der Annahme, daß dieser
strategisch hochwichtige Platz auch die Stürme jener Jahrhunderte als bewohuter Ort
überdauert habe und als solcher in den Besitz der magyarischen Eroberer gelangt sei.
Jene zur Vertheidigung dienenden Erdwerke, Gräben und Wälle, welche noch heutigentags
ersichtlich in drei parallelen Linien von der Maros bis zur Donau hinabziehen, haben ihren
Mittelpunkt in Temesvär. Bei der Begründung des Königreichs Ungarn, ja gewiß schon
früher vereinigte sich die magyarische Wehrkraft des Landes jenseits der Theiß, dort in
der Nähe des großen Einfallsthores der unteren Donan, und die Burggespanschaft von
Temesvär gehört zu den ältesten. Der Sitz der reichen und mächtigen Temeser Gespane
gelangte alsbald zu solcher Blüte, daß so mancher König von Ungarn mit seiner ganze»
Hofhaltung gerne und längere Zeit daselbst weilte. Wir wissen dies von Karl Robert, der
jahrelang dort wohnte, dort königliche Urkunden ausstellte und Temesvär zur Stadt erhob,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch