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vielerlei Richtungen der Windrose hier zusammengefunden haben, so möchte man glauben,
die Nachkommen müßten gleichfalls demokratisch-kosmopolitisch gesinnt sein. Dies ist jedoch
durchaus nicht der Fall, vielmehr fühlt das Volk gewissermaßen aristokratisch und hängt
an seiner neuen Heimat; selbst wer sich nicht als Magyaren bekennt, ist immer stolz auf
den Namen eines „Bäcskaers". Er ist überzeugt, daß kein Mensch auf Erden einen
solchen Boden, solche Pferde, solches Vieh hat, und darin wird er noch bestärkt durch das
Stauneu seiner Sippen aus Deutschland, die ihn znweilen besuchen, und durch die vielen
Fremden, welche, besonders der Pferdekäufe halber, dort verkehren.
Die allgemeine Wohlfahrt macht die Bäeska zu eiuem wahren Bauern-Eldorado.
Schon in älterer Zeit war dies der Fall, denn von Anfang an hatte dort das Bauerngut
die Mehrheit und die gutsherrlichen Verhältnisse gestalteten sich ganz anders als sonstwo.
Mit Ausnahme der ungeheuren freien Ländereien der Städte, war im größten Theile des
Comitats das väterlich waltende Ärar Gutsherr; eiue richtige Leibeigeueu-Frohue sah
dieses Volk nur bei den Bewohnern einiger größeren Herrschaften und ganz weniger
Compofsefsorate.
In der Bäeska sucht der Fremde auch jetzt vergebens das Schloß des Gutsherrn,
das in anderen Gegenden den Dörfern häufig als Schmuckstück dient. Nur hier und da
finden sich an den Herrschaftssitzen ein paar verfallende herrschaftliche Gebäude aus dem
vorigen Jahrhundert; den Schmuck der Dörfer bilden die Kirchen, ihre schönsten weltlichen
Gebäude sind die Gemeindehäuser und Schulen.
Übrigens wohnen in der Bäcska Herr und Bauer am liebsten draußen auf ihrem
„Szalläs", wie hier die Tauya (Gehöft) genannt wird. Dort hat Jeder sein Feld und
Vieh, alles Hab und Gut, dort fühlt er sich wirklich heimisch und kehrt nur als Gast iu
der Stadt ein, vou der er oft stundenweit entfernt wohnt. Dort draußen hat auch die
Herrenclasse nur ein einfaches Haus, meist nur mit Lehmziegelwänden nnd Rohrdach;
blos die bequemere Einrichtung, die größeren Pferde- und Rinderherden und die Meuten
von Jagdhunden lassen erkennen, daß da kein Bauer haust.
So günstig nun aber dieses Leben auf dem Szalläs für die Landwirthschaft ist, so
hinderlich ist es für den regelmäßige» Schulbesuch. Die Deutschen schicken ihre Kinder am
eifrigsten zur Schule, die Schokatzeu und Serben am lässigsten. Den letzten Jahren dankt
man jedoch auch darin einen angenfälligen Fortschritt. Noch im Jahre 1870 gab es auf
dem Gebiete des Comitats nicht mehr als 489 Lehrsäle und 468 Lehrer; zwanzig Jahre
später sind diese Zahlen gerade verdoppelt und es gibt jetzt sogar auf den Szälläfen schon
71 Lehrsäle. Und auch die Zahl der Volksschulen und Kinderbewahranstalten nimmt stetig
zu, weil Gemeinden und Einzelne mit opferwilligem Eifer bestrebt sind, das Erziehnngs-
nnd Unterrichtswesen zu entwickeln.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch