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An Sonlinerabenden wandert eine große Menge Menschen hier auf und ab. Auch
sie umfaßt alle Staude, hoch und nieder. Bekannte suchen und treffen sich uud namentlich
am Ende des Molo geht es lebhaft zu. Weuu bei den meisten neben dem Wuusche uach
Kühlung durch die Meeresbrise wieder das Interesse an den Menschen vorherrscht, so fehlt
es doch nicht an solchen, die dem prächtigen Hafenbilde ihre alleinige Aufmerksamkeit
zuwende».
Auf der leicht gekräuselte» See fahren, den frischen Lnfthauch beuützeud, mehrere
Segler znm Hafen hinaus. Wie viel schöner ist doch der Anblick dieser Fahrzeuge, die
Rieseuschwäueu gleichen, als jener des pustende» und keuchende» Geselle», der dort tactmäßig
dunkelgelbe Rauchwolken aus seiuem Schlote herausstößt! Aber im Nu ist der Dampfer
verschwunden und das von poetischem Hauche umflosseue Segelschiff kommt nur langsam
vorwärts.
Auch iu uuserer Nähe wird es mittlerweile lebendig. Kleine Segelbarkeu taucheu
auf, farbige Lämpcheu erscheinen plötzlich und rasch schießen Ruderboote, vou kräftigen
Jünglingen bewegt, an uns vorüber. Auch eiuige Führer von Barken, die hart am Molo
liegen, laden zur Hafeufahrt ein.
Am schönsten ist es allerdings, vom Wasser aus die beleuchtete Küste zu sehen nnd
sich von den schaukelnden Wellen einlullen zu lassen in den süßen Schlaf, der zur Sommers-
zeit i» der heißen Stadt den Müden oft flieht. Aber schön bleibt auch der Anblick vom
Steindamme aus auf den neuen Hafen mit seinen elektrischen Lichtern uud auf den Leucht-
thurm, der wie ein riesiger Wächter sein seuersprüheudes Auge bald uach dieser, bald nach
jener Seite wendet. Wir blicken uns um, der Molo ist mittlerweile fast leer geworden, die
Stunde des Abendessens hat die Meisten heimgeführt. An beiden Seiten des Hafendammes
liegen unbeweglich die Dampfschiffe. Auf dem einen herrscht regeres Leben: es ist der
Venedigdampfer, der um 11 Uhr abgeht und den einige vorsichtige Reisende schon jetzt
aufsuchen.
Wenn wir vorher den Corso als eine Hauptverkehrsader Triests bezeichnet haben,
so ist es doch selbstverständlich, daß sich der Waarenverkehr vorzugsweise am Hase»
abspielt. Inländer, die mit der aus Büchern aufgenommenen Vorstellung vom dichten
Mastenwald hierher kommen, sind manchmal enttäuscht, wenn sie überall zwischen den
Schiffen das Meer sehen. Vor dreißig Jahren war es allerdings anders. Der Handels-
verkehr drängte sich im „alten Hafen" zusammen, die vielen Segelschiffe, die eine ver-
hältnißmäßig geringe Menge Waaren in sich bargen und überdies lange liegen blieben,
bis die alte Fracht gelöscht und ueue eingenommen war, erzeugteu, namentlich wenn sie
nach Regenwetter die ganze Leinwand zum Trocknen aussetzteu, das Bild vom undurch-
dringlichen Mastenwald, der das Meer verdeckte. Jetzt hat sich ein großer Theil des
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch