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aufgewachsenen und erzogenen Bindern beispielsweise der eine italienisch empfindet, der
andere slavisch fühlt, dürfte schwerlich an anderen Orteu angetroffen werden. Dieses sich
gegenseitig Durchdringen der verschiedenen Volksstämme verräth sich nicht allein in den
Äußerungen des Seelenlebens, es tritt ebenso in den physischen Eigenschaften der Landes-
bewohner hervor. Häufig begegnet man in rein slovenischen Gemeinden Individuen, deren
dunkle Hautfarbe, schwarzes Haar und scharf geschnittenes Profil auf unverfälschte
romanische Abstammung schließen ließe. Dann wieder leuchten einem Mann, den jeder
Zweifel au seinem italienischen Volksthnm empfindlich beleidigen würde, die deutschen
Ahnen aus den hellblauen Angen, während bei anderen die Sprache in argem Widerstreit
mit der Gesichtsbildung und Hautfarbe steht, welche sonst unverkennbare Wahrzeichen
slavischer Herkunft sind. Deshalb kann es nicht wundernehmen, daß die Ausbeute nur eine
geringe ist, unternimmt man, Sagen oder eigenthümliche Gebräuche und Sitten im Lande
zu sammeln. Jene sind dem Gedächtniß des Volkes größtentheils entschwunden, diese mit
den einstigen kleidsamen Trachten beinahe zur Gänze verloren gegangen. Dies Alles hat
sich bis ans die Jetztzeit unversehrt nur in Gebieten erhalten, welche von stark beuützteu
Verkehrswegen weitab liegen und vou großen Umwälzungen unberührt geblieben sind.
Trotzdem findet sich in unserem Lande noch Einiges, das der Erwähnung werth ist.
In dessen nördlichstem Theile, um den Gebirgsstock des Triglav herum, stoßen wir auf
eine von dessen schönsten Sagen, die durch Rudolf Baumbachs Dichtung bereits Gemeingut
geworden ist. Das ist die Sage von Zlatorog, dem schneeweißen Gemsbock mit goldenen
Krickeln, nach dem das Herz eines jeden Jägers strebt. Wird er von einer Büchsenkugel
getroffen, so sprießt plötzlich aus seinem Schweiße, wo er zu Boden fällt, die wunderbar
schöne, lieblich duftende Triglav-Rofe, die das waidwunde Wild sofort gesunden macht,
sobald sie ihm zur Äsuug gedient hat. Dem glücklichen Jäger aber droht Verderben, denn
Zlatorog steht unter dem Schutze rächender Gewalten. Diese Sage ist zwar auf beiden
Abdachungen der julischeu Alpenkette, der nordöstlichen krainerischen, wie der entgegen-
gesetzten küstenländischen heimisch, allein ihr eigentlicher Schauplatz ist dort, wo die Soea
(Jsonzo) in einem engen Felsenbett sich schäumend den Weg nach Süden bahnt. Nicht
weit vom Triglav, dem spitz aufragenden Kern zunächst birgt in demselben Gebirgsznge
der Bogatin unermeßliche Schätze, die zu verlade« siebenhundert Wagen nicht genügen
würden. Doch ist seine und des hochgelegenen Sees au seinem Fuße Umgebung zu
unwirthlich, als daß jemals ein Schatzgräber das Wagniß unternommen hätte, ihn heben
zu wollen. Leicht würde dieses Unternehmen nur dem kühnen Jäger, der Zlatorog erlegt
hätte. Bisher ist es keiuem noch gelungen. Wohl traf Zlatorog ein glücklicher Schuß, vou
dem ihn die Triglav-Rose heilte. In seinem Zorn zerstampfte er den herrlichen Garten
am Triglav, in dem er zu weiden gewohnt war, derart, daß an dieser Stelle eine Wüstenei
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch