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bevor er an diesen Felsenstrand gelangte. Zuerst hatte er jahrelang Länder und Meere
durchzogen, um seine Schwester Europa auszuforschen, welche von Jupiter in Gestalt eines
Stiers entführt worden war. Dann hatte er Drachen erschlagen, die Buchstabenschrift
erfunden, war aber endlich durch die Verfolgungen der Hera gezwungen worden, über das
Meer zu fliehen, von welchem aus er endlich diese Küste vou Ragusa erreichte. Nachdem
der weise uud vielgeprüfte Mann, den wir der Buchstaben wegen alle als unseren Ober-
schulmeister ansehen müssen, lange Zeit hier verweilt hatte, fuhr er mit seiner Gattin iu
einem Drachenwagen nach dem Elysinm. Einen so merkwürdigen Ansiedler und Gast hat
die Küste seither uicht wieder geseheu. Sein Andenken ist heute noch nicht verschollen. Auf
ebeu diesem Berge Snieznica, der mit seiner Wolkenkrone so weit in das Meer hinaus-
glänzt, klafft eine Höhle, welche damals der weise Einsiedler bewohnte und die noch immer
als die Zuflucht des märchenhaften Gastes bezeichnet wird. Viele Jahrhunderte hindurch
mochte der Strand einsam geblieben sein. Die schaumbedeckten Wellen schlugen fort und
fort gegen die Felsen, die von Lavendel und calabrischem Waldmeister, von Oleander
und Wollblumen duften. In lebendiger Fülle wie immer flutete das Meer. Öde war der
Straud, uur von Barbaren bewohnt. Da erschien der heilige Einsiedler Hilariou, brachte
den Wilden menschliche Sitten bei, pflanzte Granat- und Ölbänme und setzte Plataueu
ein, welche zukünftigen Geschlechtern ihren Schatten spenden sollten. Noch mancher andere
Einsiedler ließe sich erwähnen, wie jener heilige Sabba, königlicher Prinz von Serbien,
der auf der Halbinsel Sabbioncello in einer Zelle lebte, dann die ersten Einsiedler von
Lacroma uud viele andere weltentsagende Männer und Gottesstreiter.
Allgegenwärtige Welt von Riffen, Eilanden, Felsenhökern, Buchten bis hinunter
gegen Ragusa hin! Am Strande hier nnd dort ein lichter Ölhain, eine Eypresse über
gelbem Haus mit rothen Hohlziegeln — so setzt sich das Ufer bis zur Jusel Calamotta, zur
Mündung der Ombla und zum Hafen von Gravofa hin fort.
Dort driuueu stehen, halbwegs zwischen Ragusa und Slano, die Platanen von
Trsteno (Eannosa) an der in ihrem Schatten hervorsprudelnden Quelle, welche von allen
Besuchern der Ragnsaer Landschaft verherrlicht werden; mehrere hundert Menschen können
im Schatten dieser Platanen rasten. Es ist dies ein Stück des fernen Ostens, an das
dalmatische Meer hergetragen. Die Dattelpalme reift an diesem Strand ihre Früchte wohl
nur bis zur lichtgelbeu Färbung der Eichel, doch streckt sie ihre gefiederte Krvne über den
Boden, von dem die Blumen in keinem Monat des Jahres verschwinden. Die kupkvi-dia
cksnckroiäes erreicht hier eine Höhe wie auf Kreta. Veilchenroth entfaltet der syrische
Hibiscns in der Sonne des August seine Blütenscheiben uud die Weihnachtssonne glänzt
voil den scharlachrothen Früchten des Erdbeerbaums wieder. Nirgends in Dalmatien gibt
es so schöne Ölbänme uud Oleander als hier.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch