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jene charakteristische Erscheinung, in welcher sie uns bis vor kurzein fast unverändert
entgegentraten, ja selbst das sonst unabhängige Ragusa konnte sich in Kunstsachen dieses
Einflusses nicht völlig erwehre» und dars daher gleichzeitig mit dem übrigen Lande in
Betracht gezogen werden.
Der Einfluß Venedigs macht sich vor Allem in der Anlage der Städte selbst geltend.
Hat auch die Lage der Städte nirgends zu den für Venedig so charakteristischen Kanal-
straßen geführt, so machen doch die engen, von Wagen nicht zn befahrenden Straßen der
alten Städtetheile einen ähnlichen Eindruck wie jeue der Hauptstadt der Republik. Die
Häuser, ob spätgothisch, ob im Renaissancestil ausgeführt, ob kleiner oder größer angelegt,
sind sichtlich aus gleichen Lebensbedingungen in Anlage und Aufbau entstanden wie dort
und zeigen völlig verwandten Typus. Ganz besonders macht sich dieser aber in der Anlage
der Plätze geltend. Jede dalmatinische Stadt hat ihre Piazza dei Signori, die sich, wo es
anging, zunächst der Hauptkirche ausbreitete. Hier, wo sich der Verkehr coucentrirte,
stehen auch jene Gebäude, die der politischen Verwaltung und dem öffentlichen Leben
entsprechen mußten. Jeder Herrenplatz wurde naturgemäß zu einem den Verhältnissen nach
reducirten Abbild der Piazza di S. Marco. Hier stand der Palast des Provveditore
generale oder des Eonte veneto, die Loggia pnbblica uud der Uhrthurm; sie bildeten mit
der Kirche, den übrigen Palazzi, Flaggenhaltern n. s. w. ein imponirendes und malerisches
Ganze, zugleich deu Mittelpunkt der Stadtanlage, an welchen sich zumeist die Hauptstraße
anschloß. Venedig hatte aber auch ein Augenmerk darauf, die Hafenplätze durch ent-
sprechende Befestigungen vor feindlichen Einfällen zu sichern. Alle größeren Städte
Dalmatiens wurden mit einem System von Mauern, Thürmen und Grüben nmgeben.
Auch hier machte sich in der Ausführung derselbe praktische und künstlerische Sinn geltend,
der in allen Befestigungsbauten der Republik von Verona bis Corfn und Candia zum
Ausdruck kam.
Wenn wir nun die vielen hervorragenden Baulichkeiten ins Auge fassen, welche
unter dem Einfluß der venetianifchen Kunst entstanden, müssen wir vorerst constatiren,
daß auch der Stil derselben der venetianische ist. Die mächtige Entwicklung der Kunst-
thätigkeit in Venedig mußte auch in Dalmatien ihren bestimmenden Einfluß übeu, und ob
dies nun in gothischen oder Renaissanceformen zum Ausdrucke kam, der Stil blieb der
venetianische. Die Gothik. die sich im XV. Jahrhundert geltend macht, trägt denselben
mehr decorativen als conseqnent constrnctiven Charakter wie in den Arbeiten der Lagunen-
stadt und wird bald mit Renaissance-, romanischen und antiken Formen gemischt. Dem
Mangel an organischer Strenge tritt eine unbefangene Verwerthung vielfältigen Details
gegenüber, es kommt ein freies malerisches Wesen in die Erscheinung der Objecte, das
ihnen großen Werth verleiht.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch