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Aber auch über dem Unterhaltungsorte schwebt noch immer, Dank den Überresten
des Alterthums, jener Geist der Pietät und Andacht, der in der Vorzeit des magyarischen
Volkes hier sein Asyl gefunden. Die Margaretheninsel war der Wildpark der ältesten
Ungarkönige, und nachher eine klösterliche Niederlassung. Die schöne Insel hatte einst fünf
Klöster, darunter das bemerkenswertheste das der Jungfrau St. Margaretha, von Bela IV.
nach dem Tatareneinfall für seine Tochter Margaretha erbaut. In diesem Kloster wurden
auch die Königstochter und ihr Bruder, Stefan V., begraben. Alle Nonnen daselbst
waren Töchter der höchsten Bannerherren des Landes; zwei waren Töchter des Palatins,
zwei Enkelinnen König Belas IV. Das Kloster besaß große Ländereien, deren Einkünfte
die Königstochter mit freigebiger Hand zu frommen Zwecken vertheilte. Noch nach ihrem
Tode berichtet die Legende von ihren Wunderthaten. Als ihr Neffe Ladislaus (König
„Ladislans der Kumane") todkrank darniederlag, breitete man ihm den Schleier der
heiligen Margarethe über das Gesicht, und er erwachte wieder zum Leben.
Auch dem Prunke der königlichen Hofhaltung diente die reizende Insel oft zum
Schauplatz; sie hat auch das blutige Drama gesehen, in dem der Enkel König Belas IV.,
Bela, Herzog von Macsö, ermordet wurde, und das dann in dem zwischen Ungarn nnd
Böhmen entbrannten Kriege seine Fortsetzung fand.
Nach der Schlacht bei Mohäes floheu die Nonnen aus den Klöstern und die
türkischen Heerführer verwandelten die der Andacht geweihten heiligen Wohnungen in
Kasernen nnd Pferdeställe. Nach 180 Jahren, mit dem Aufhören der Türkenherrschaft,
gelangte die Margaretheninsel an die in Ofen angesiedelten Nonnen zurück, doch standen
dazumal au Stelle der Klöster nur noch Ruinen, halb versunken im sumpfigen Boden.
Diese Ruinen sind in archäologischer, wie in architektonischer Hinsicht bemerkens-
werth. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts, als Josef II. das Vermögen der Klöster
säcularisirte, ging die Margaretheninsel aus dem Besitze der Clarisseriuuen in den des
Religionsfonds über und wurde sodann, der Domäne von Pilis-Csaba angegliedert,
Eigenthum des Palatins Josef. Der Erzherzog ließ jene nahezu hundertjährigen Bänme
pflanzen, welche die Ufer der Insel umsäumen; er ließ auch das erste bequeme Sommer-
schloß auf der Insel bauen, indem er es an eine Ruine lehnte. Solche, der Pietät würdige
Ruinen empfangen den Besucher der Insel an mehreren Stellen; sie haben übrigens um
die Mitte dieses Jahrhunderts mehr Stoff zu Studien geboten, denn sie zeigten damals
noch alte Freskomalereien, Vergoldungen, Ziegelmosaiken, was seitdem Alles zu Staub
geworden ist.
Die Stirnwand des St. Michaelsklosters, an die das Sommerhaus des Palatins
angebaut wurde, zeigt noch Thüre und Fenster von ehedem, spitzbogig und durchaus
dicht mit Epheu überlaufen. Eine andere Ruine an dem Pest zugekehrten Ufer erinnert
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch