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gelangt. Von da an steckt er sich immer kühnere Ziele und schreitet, wie jedes große Talent
von stark ausgeprägtem persönlichem Stempel, seine eigene Bahn.
Sein erstes Bild, das großen Eindruck machte, die „Letzten Stunden des Ver-
urteilten", hat er in Düsseldorf gemalt, als Schüler des gemüthstiefen Genremalers
Ludwig Knans, dem er durch dessen Jugendfreund Anton Ligeti, einen seiner väterlich
befreundeten Förderer, empfohlen war. Das treffliche Gemälde, ergreifend im Stoff,
interessant in seinem ethnographischen Charakter und kraftvoll in der Durchführung, erregte
nicht nur im Düsseldorfer Künstlerkreise, sondern später auch im Pariser Salon ungewöhn-
liche Aufmerksamkeit und fand ein seltenes Maß von Anerkennung. Und als dann der
junge Künstler selbst nach Paris ging, standen ihm auf einmal alle Thüren des Erfolges
offen. Dort lebt er seither uud schreitet unermüdlich vorwärts; er gehört keiner herrschenden
Richtung, keiner Gruppe an, seine Lehrmeisterin ist nnr die Natur und er folgt nur jenen
gewaltig anregenden, zu immer neuer Bethätigung treibenden Reizen und Eingebungen,
von denen das Leben in der Hauptstadt der heutigen Kunst übersprudelt. Die Scenen aus
dem ungarischen Bauern- und Zigeunerleben, womit er daheim begonnen, hatten den
unverfälschten nationalen Duft, aber auch in seinen folgenden Lebensbildern gaben typische
Gestalten Zeugniß von dem Hange seiner Seele zu den düsteren Seiten des Volkslebens
und von seiner dramatischen Kraft. („Nächtliche Vagabunden", „Im Versatzamt",
„Rekruten".) Dann griff er bei der Wahl seiner Stoffe höher, er erhob sich zu Gesichts-
punkten, die ihm gestatteten, einige ergreifende Momente der internationalen Cultur-
geschichte zu gestalten mit jener träumerisch süßeu Poesie, die den Beschauer von „Miltou
und seine Töchter", von „Mozarts letzte Augenblicke" unwiderstehlich beschleicht. Aber
auch da kam er nicht zum Stillstand. Auch die heilige Historie mußte ihm ihreu Lorbeer
reichen; seine groß angelegten Gemälde: „Christus vor Pilatus" und „Golgatha" hatten
einen außerordentlichen Ersolg. Die allgemeine Theilnahme wandte sich ihnen zu, in
mehreren Hauptstädten, wo sie der Reihe nach ausgestellt wurden, strömten Hundert-
tausende mit lebhaftem Interesse herbei, in England und Amerika erregten sie wahre
Begeisterung. Über das Verdienst dieser Bilder ist so viel geschrieben worden, daß wir uns
ihrer neuerlichen Würdigung hier entschlagen können. Zur Erklärung der außerordentlichen
Wirkung wurde seinerzeit ausführlich hervorgehoben, wie es in diesen durchseelten Dar-
stellungen das mächtig in Relief gesetzte menschliche Moment der Passionsgeschichte war,
das so lebendig zum empfänglichen Beschauer sprach — uud wie, nebst der feinsinnigen
Grnppiruug der moralischen Motive, auch der ästhetische Sinn reichliche Gelegenheit fand,
sich an der treffenden Auswahl verschiedenartiger Figuren, an der wohlabgewogenen
Skala der einander hebenden Gegensätze, sowie an der Feinheit und Kraft der Färbung
zu ergötzen. Kurz, man durfte in diesen Werken den gemeinsamen Triumph der ihreu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch