Seite - 276 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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dem früheren „Brettelbohren" anklebte, verloren gegangen, aber der Eifer für das alte
Vergnügen ist geblieben. Daß es dem tirolischen Bauer an Gelegenheit zur Unterhaltung
und Ergötzlichkeit nicht fehlt, zeigt auch die „Sommerfrische", die er jährlich mit der
ganzen Familie hoch oben auf deu „Bergmähdern" genießt, im Winter aber das „Eis-
schießen" und Rodeln oder Schlitteln, sowie die „Vogelbälle" und ähnliche Vorgänge, die
zn beschreiben den Rahmen überschreiten würde.
Ehe wir von Lebensweise, Sitten nnd Gebräuchen des Volkes in den Dörfern Abschied
nehmen, müssen wir noch kurz einen Blick auf die Berge werfen, wo sich hoch über dem
Thale während der Sommerszeit ein Leben ganz eigenthümlicher Art abspielt, nämlich
das Almen- oder Senner leben. Der Futterreichthum der Thalsohle würde zum Unter-
halt des bäuerlichen Viehstandes nicht genügen, hingegen bergen die Abhänge, Rücken und
Einsenkungen (Kare) des Hochgebirges einen Schatz der kräftigsten Futterkräuter. Deshalb
schickt jeder Bauer, der Vieh besitzt, dasselbe Mitte April auf die Alm oder Alpe, wo es
bis anfangs, bei günstiger Witterung sogar bis Mitte October bleibt. Die Auffahrt zur
Alpe ist nicht nnr ein Fest für den betreffenden Hof, sondern auch für das ganze Dorf.
Die Kühe, die um die Zeit des Auftriebes schon unruhig werde», sind mit den großen
Glocken (Klumpern) und Schelle» behangen, auch der Senner hat einen riesigen Reise-
büschel aus Rosmarin znm Geschenk erhalten nnd schreitet mit „Kraxe" und Bergstock
pfeifend und singend dem sich ordnenden Zuge voraus. Hinter ihm geht zuerst die schöne
Leitknh, die schon öfters auf der Alm war und daher den Weg kennt, dann folgen die
Milchkühe uud der Stier, der die Ketteu tragen muß. Deu Schluß macht das Galtvieh,
Kälber, Schafe nnd Ziegen und die grunzenden Schweine, welche der beigegebene Knecht
in Ordnung hält. Das wohlbepackte „Almwagerl" mit Lebensmitteln und Gerätschaften
fährt hintendrein. Sobald man aus dem Bereich der Wohnungen gekommen ist, nimmt
man dem Alpenvieh die schweren Glocken ab, die kleinen Schellen läßt man ihm.
Gewöhnlich bezieht man nicht gleich die eigentliche Alm, sondern führt das Vieh
zuerst auf die sogenannte Asten, wo dasselbe von Mitte April bis Mitte Mai bleibt. Es
sind dies Hütten, welche von einem umzäunten Mahd nmgeben sind. Hier bleibt das Vieh,
bis die Witterung die Auffahrt zur Hauptstation, dem sogenannten Niederleger gestattet.
Hier ist die eigentliche Alm mit der Residenz des Senners. Gewöhnlich sind es weit-
gedehnte Grasböden, die sich oft bis ans Gefchröffe hinanziehen und mit den würzigsten
Futterkräutern, Marbel und Madann, bewachsen sind. Bei großen Alpen befinden sich
mehrere Senn- oder Almhütten, gewöhnlich Käsern genannt, auf dem Mahde vertheilt,
so daß das Niederleger oft wie ein Alpendorf aussieht. Solche sind z. B. die große Alpe
Lizum zwischen dem Watten- und Navisthal, die 10 Käser, 20 Vieh- nnd 11 Sauhäge
besitzt, oder die „große Zemm" im Achenthal mit 42 zur Hälfte gemauerteu Senu-
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch