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Statthalterei erschienen mit der Mittheilung, daß der Kaiser ein neuerliches Schreiben nach
Prag gerichtet habe, und forderten die Versammelten auf, sich auf dem Schlosse einzufinden
und den Inhalt desselben von dem Statthalter zur Kenntniß zu nehmen. Die Stände
folgten der Aufforderung und erfuhren, daß Matthias ihre Zusammenkunft abermals
verbiete. Während sie am folgenden Tage über die zu ertheilende Antwort beriethen, wollte
Graf Thurn, die Seele der ganzen Bewegung, die Gelegenheit zu einem Bruch mit dem
regierenden Hause benützen. Er dachte dies am besten dadurch bewirken zu können, wenn
er die Versammelten zu einer That bewog, die der Kaiser nicht ungerächt lassen konnte,
und welche deshalb die Stände und das übrige Land zu einem Bunde gegen die zu
befürchtende Rache einigen mußte. Das Schwert sollte dann entscheiden. Als eine solche
herausfordernde und nicht mehr rückgängig zu machende That betrachtete Thnrn die
Ermordung der in Abwesenheit des Königs die Regierung führenden Statthalter. Wie
lang er sich mit diesem Plane getragen haben mag, ist unbekannt, am 22. Mai deutete
er ihn einigen Personen zum erstenmal an und berieth über dessen Durchführung an?
selben Tage mit Albrecht Smiricky, Wenzel Bndovec und mehreren anderen Personen.
Es wurde der Beschluß gefaßt, daß man die Statthalter zum Fenster hinauswerfen und
so eine in der böhmischen Geschichte wiederholte Bestrafung mißliebiger Würdenträger
nachahmen solle. Den nächsten Tag wurden andere angesehene Personen von dem Plane
in Kenntniß gesetzt und für die Durchführung desselben gewonnen, nnd so konnte Thurn
sicher sein, daß, wenn er zwischen den Ständen und den Statthaltern in der königlichen
Kanzlei einen Streit heraufbeschwor, der von ihm beabsichtigteMordanschlag ohne ernstlichen
Widerspruch vollführt werden würde.
Als sich die Stände am 23. Mai auf das Schloß verfügten, überbrachten sie keine
Antwort auf das Schreiben des Kaisers, sondern eine Zuschrift an die Statthalter, welche
einen Protest gegen die beabsichtigte Verhinderung ihrer Zusammenkünste enthielt und
die Frage stellte, wer zu dem ersten kaiserlichen Schreiben gerathen habe und ob es
vielleicht von den Statthaltern selbst herrühre. Mitglieder der Statthalterei waren die
obersten Landesbeamten, von denen jedoch diesmal nur der Oberstburggraf Adam von
Sternberg, der Burggraf von Karlstein Martinitz, der Oberstlandrichter Slavata und
der Großprior des Malteserordens Depold von Lobkowitz in der Kanzlei zugegen waren.
Die Stände drangen in dieselbe ein und nach Vorlesung des erwähnten und eines
anderen Schriftstückes, bei denen es zu heftigen Vorwürfen gegen Slavata und Martinitz
kam, die sich stets als entschiedene Gegner jeder nichtkatholischen Richtung geltend
gemacht hatten, ereignete sich jene Scene, die eine welthistorische Bedeutung erlangte und
von den böhmischen Patrioten später auf das tiefste bedauert wurde: der Fenstersturz.
Man schob die Herren von Sternberg und Lobkowitz, gegen die man keinen Groll hegte,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch