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sonst wurde ihnen leicht die Bratpfanne sammt dem Braten aus der Herdröhre davon-
getragen und die Beute unter Halloh vertheilt. Eine Hauptgestalt unter den von Haus zu
Haus ziehenden Masken ist in fast allen Gebieten, besonders im Getreideland, der
charakteristische „Strohbär" (Sinnbild des gezähmten Winters und Hindeutung auf den
Osterfestkreis), den ein Treiber am Strohseil oder Strick in die Gehöfte führt. Die Bäuerin
sucht ihm eifrig eine Handvoll Erbsenstroh vom Leibe zu rupfen, um daraus den Hühnern
Nester zu bereiten, worauf sie bald und fleißiger Eier legen (erstes Erwachen des neuen
Naturlebens zum Lenzbeginn). Auch der alte derbe „Hanswurst", der originelle
„Schnappesel," der jedoch zuerst in der Zeit der „Zembern" auftauchte, „der Hausirjude"
und die „Aschenbraut" (Ostböhmen) waren unter den volksthümlichen Faschingsfiguren
meistens zu treffen. Beim Fastnachtstanz in den Dorfwirthshäusern müssen die Bäuerinnen
und Mädchen recht hoch springen, damit Gerste, Hafer, Flachs, Hopfen n. f. w. hoch
wachsen. Im Egerlande beginnt am Fastnachtsdienstag das sogenannte „Schlägeln", und
die Mädchen müssen dabei das „Schlägelgeld" bezahlen. In den Mittelstädten entwickelte
sich das Maskentreiben in den letzten Jahrzehnten mitunter zu großen, hier und da selbst
künstlerisch ausgestatteten Maskenzügen und Maskenschlittenfahrten, die, wie zum Beispiel
jene in Töplitz, sich eines großen Rufes erfreuten.
Erwähnt sei noch das einst ebenfalls in den meisten Gegenden geübte „Fasching-
begraben". Besonders bemerkenswerth ist das „Jagen des wilden Mannes" in Schlnckenan
(Nordböhmen), das ebenfalls als „Faschingbegraben" aufgefaßt wird, jedoch eine tiefere
culturgeschichtliche und natursymbolische Bedeutung und Herkunft hat. Die Tödtung des
„wilden Mannes", der durch die Straßen gejagt, endlich gefangen und von einem eigens
dazu bestellten „Scharfrichter" der Form nach vom Leben gebracht wird, indem dieser
eine dem Vermummten anhängende mit Blut gefüllte Blase durchsticht, deutet natur-
symbolisch die Fällung des Winters und culturgeschichtlich den Sieg der Cultur an, welchen
die deutschen Bauern- und Bürgercolonisten in diesem einst so wilden, rauhen, wenig frucht-
baren Waldland durch ihre Tüchtigkeit errungen haben, wo es einst auch noch wirkliche
„wilde Männer" und wilde Naturgewalten (Lindwurmsage, Trauteuau, Riesengebirge
n. s. w.) zn bändigen gab.
Das „Wintertödten" ist nach altdeutschem Volksbrauch seit langem in ganz Deutsch-
böhmen bekannt und geübt. Die Volkspoesie hat den Kampf des Winters mit dem Sommer,
der im März in der Regel am meisten zur Erscheinung kommt, mit so zahlreichen, oft sehr
sinnigen und dramatisch lebendigen Darstellungen, Spielen, Auszügen, Liedern n. s. w.
ausgestattet, daß er reichen Stoff für eine eigene Literatur bildet. Fast alle Gebräuche
des Frühjahrs bis zum Ostertag, dem Auferstehungs- und Siegesfest des Frühlings,
beziehen sich auf diesen für das Landvolk allerdings besonders bedeutsamen Naturvorgang:
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch