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auch die lateinische Sprache beseitigt. Erst unter Köllig Georg trat eine Wendling ein,
theils durch den Einfluß italienischer Schulen, au denen viele Böhmen stndirten, theils
auch auf heimische Anregung, namentlich als nach dem Jahre 1466 M. Gregor ins
von P rag auf Karls Hochschule die Klassiker zu erklären anfing.
Unter der Regierung Wladislaws des Jagellonen fand diese Richtnng eine« aus-
gezeichneten Vertreter in Bohnslav Hassenstein von Lobkowitz (1462 bis 1510).
Ein längerer Aufenthalt unter dem südlichen Himmel an den Hochschulen Bolognas und
Ferraras, die wissenschaftlichen Bestrebungen der dortigen Gelehrten und Freunde, die
unmittelbare begeisterte Anschauung der Denkmäler des Alterthums, endlich auch die
günstigen materiellen Verhältnisse bewirkten, daß dieser reich begabte Mann an der
ranhen Wirklichkeit des gewöhnlichen Lebens kein Gefallen fand und sich nach idealen,
aus der classische» Vergangenheit geschöpften Mustern eine neue Welt schuf, die nur für
eine private Zurückgezogenheit paßte. Auf seinem Schlosse Hassenstein im Saazer Kreise
richtete er sich ein vollkommenes Studienheim mit reichen Sammlungen und wissenschaft-
lichen Instrumenten ein, nameutlich versorgte er sich mit gedruckten und geschriebenen
Büchern, die ihm eigens bestellte Vermittler in Deutschland nnd Italien verschafften, und
keine Auslage schien ihm zu groß, wenn es galt, etwas Seltenes zu bekommen. Selbst
weite Reisen unternahm er, um im Alterthum berühmte Örtlichkeiten in Augenschein zn
nehmen; namentlich besuchte er Palästina, Egypten, Griechenland, Nordafrika und Sicilien.
Der Ruhm seiner lateinischen Gedichte drang weit über die Landesgrenzen hinaus und
erhielt sich lange auch in der Folgezeit.
Für Bohnslav und seine gleichgesinnten Freunde war die antike Welt das Ideal,
dem sie durch die Pflege der altelassischeu Sprache und Literatur uahe zu kommeu bestrebt
wareu. Soweit sie dabei die Veredlung des Geschmacks oder den Nntzen lind Fortschritt
der Wissenschaft im Auge hatten, war ihr Beginnen löblich, insofern« sie jedoch über dieses
Ziel nicht hinanskamen, sondern sich mit steter Nachahmung und Wiederholung antiker
Muster zufriedenstellten, übten sie einen sehr nachtheiligen Einfluß auf die Literatur aus.
Viel besser erfaßten das Wesen der antiken Bildung jene Humanisteil, welche die
Erfolge ihrer Studien auf den Stamm der böhmischen Sprache übertrugen und auf diese
Weise die Bereicherung und Vervollkommnung der nationalen Literatur förderten. Der
erste Mann, der durch seine außerordentlichen Erfolge bewies, wie man die classische
Gelehrsamkeit zur Hebuug der Natioualliteratur verwerthen kann, war Victorin Cor-
nelius von Vsehrd, ein Schüler Gregors von Prag, zuerst Busenfreund, später,
wegen einer religiösen Eontroverse, erbitterter Widersacher Bohnslavs von Lobkowitz.
Einige Zeit hielt er an der Universität Vorträge über philosophische Disciplinen, sodann
wendete er sich der Jurisprudenz und der gerichtlichen Beredsamkeit zn, erhielt ein Amt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch