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Sturm von Beifall und Theilnahme hervorrief. Es war freilich zugleich ein gereimter
Culturroman, der die Psychologie des überfeinerten Weibes mit den großen Zügeu des
alten Mythos in Einklang zu briugeu versuchte. Aber darüber hinaus war es eiu Sieg
anschaulicher Poesie uud eine stolze Befriedigung des Heimatsgefühls. Goethe ließ sich
von Weimar aus vernehmen: „Das Landschaftliche könnte nicht besser gemacht sein." Der
Meister fühlte heraus, was aus der ersteu Hand der Natur empfangen war. Alle seine
Lieblingsplätze, die Wälder und Thäler in der Nähe von Prag hatte Ebert in der „Wlasta"
dargestellt. Hier lag und liegt in der That die Stärke des Gedichtes, und wenn uns heute
die iu allgemeinen Umrissen gehaltenen Gestalten der Wlasta und des Primislaus
schattenhaft erscheinen, so treten die Natnrbilder, über die ein schwermüthiger Reiz aus-
gegossen ist, kräftig und herzbewegend an uns herau. In der ruhig und sicher gestaltenden
Anschaulichkeit lag Eberts bestes poetisches Können. In der Reflexion, die er liebte, erlahmte
mituuter fein Schwung und der lehrhafte Zug einer überwundenen Periode inengt sich
mituuter in die „frommen Gedanken eines weltlichen Mannes", in denen er viele köstliche
Früchte einer milden Weisheit dargeboten hat. Seiner Lyrik fehlen die starken Register
des Gefühlssturmes. So ist ihm auch kein Drama voll gelungen, trotzdem sein erstes
„Bretislav und Jutta", das einen geschichtlichen Stoff mit ausgesprochener Verföhnnngs-
teudenz behandelte, in Wien uud Prag lauten Beifall fand, uud obgleich sein letztes
„Brunoy", eine interessante Timontragödie aus der Zeit vor der großen französischen
Revolution, mehr Beachtung der Bühnen verdient hätte, als es thatsächlich gefunden
hat. Glücklich und stark war er im Epischen, in der ruhigen Bildkraft des Wortes, im
breiten Tone der poetischen Malerei, die Menschen und Landschaften in großen Zügen
vergegenwärtigt. In seiner Idylle „Das Kloster", in der die Eindrücke des einsamen
Franciscauerheims Hajek nachklingen, in dem er seine „Wlasta" gedichtet hat, in seinem
Heldengedicht „Die Magyarenfrau", in dessen frischen Rhythmen das kecke Abenteuer treibt
und drängt, in seineu Meisterballaden und Romanzen, wie „Schelm vom Berge", „Fran
Hitt", „Der Königstochter Lanne", „Zwei Meister" liegt die Blüte seines Talentes.
Hier war er der würdige Genosse Uhlands und eigenartig in der Energie des Gestaltens,
im festen Aufbau der Darstellung, die sich in Quadern emporthürmt. Auch die sanfteren
Empfindungen der Liebe, der Klage, des Naturgenusses fanden in ihm eiuen Sänger, der
sich in stillen Stunden vertraulich dem Herzen nähert. Geklärtheit war ein Bedürfniß seiner
Natnr. Als an seinem achtzigsten Geburtstage die Grüße fast aller deutschen Dichter ihn
nmrauschteu, verglich ein Berufener seiue Poesie mit den stillen Seen des böhmischen
Hochwalds, auf deueu die Schatte» der ragenden Bäume ruhen.
Der weihevolle Friede, der von Eberts Gesängen ausging, war für die deutsch-
böhmische Literatur die Ruhe vor dem Sturm. Eine bewegte Zeit brach herein, das junge
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch