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Mundarten und Branche im deutschen Sprachgebiete Böhmens. Die Erinnerung an
gleiches Verdienst knüpft sich an den Namen des früh verstorbeneu Kuieschek. Die
mundartliche Dichtung und der Volkshumor trieben auch in den letzten Jahrzehnten neue
Blüten. Graf Clemens Zedtwitz stimmte in seinen Egerer Dialectgedichten einen frischen,
munteren Ton an. Nittels nordböhmische Euleuspiegel-Geschichten vom Hockewanzl hatten
einen vollen volkstümlichen Erfolg. In seiner Schrift über das Adlergebirge hat Eduard
Langer jüngst einen heiteren Naturdichter ans Licht gezogen, den Baner Hieronymus
Brinke, einen humorvollen Nachfolger des ernst gestimmten Egerländers Fürnstein,
an dessen elegischen volksthümlichen Gedichten einst Goethe warmen Antheil genommen hat.
Eine stattliche Reihe deutschböhmischer Schriftsteller befindet sich in der Strömung
des Werdens und Wirkens. Fritz Manthner, der durch Geburt und Bildungsgang zn
den Pragern zählt, ist als Satiriker und Romanschriftsteller weithin bekannt geworden.
Ossip Schubin, mit ihrem wahren Namen Lola Kirschner, seine Heimatsgenossin, die
in der Nähe von Prag lebt, hat die empfängliche Aufmerksamkeit des ganzen deutschen
Publikums für ihre Novellen und Romane aus der österreichischen Adelswelt gewonnen.
Bertha von Snttner, zu Prag als Gräfin Kinsky geboren, hat durch ihren Tendenz-
roman „Die Waffen nieder!" in den weitesten Kreisen den tiefsten Eindruck gemacht.
Auch Auguste Hauschuer, Prageriu durch Geburt uud Erziehung, Franziska von Kapff-
Effenther, die aus Leitomischl stammt, und P. Hann, ein Horitzer von Geburt, der
als Publicist in New-Iork lebt, sind mit Beruf auf dem Gebiete der Novelle thätig.
Richard von Kralik, der seine Jugend in der Böhmerwaldheimat verlebte, wirkt als
Ästhetiker. Epiker und Dramatiker, Anton Ohorn, der in vielen Gedichten die deutsch-
böhmische Heimat feiert, hält ihr auch im Roman das Spiegelbild entgegen. Josef Bendel
schrieb ein Trauerspiel „Firdusi" und „Sagen und Märchen" in gebundener Form. Als
Lyriker sind Friedrich Adler, Franz Herold und P. Phi l ipp mit Erfolg hervor-
getreten, als Humorist, der viele Formen beherrscht, Josef Willomitzer, der Nachfolger
Klntfchaks und Walters in der Leitung der „Bohemia". Oskar Tenber, der Historiker
des Prager Theaters, huldigt in seineu Skizzeu aus dem militärischen und klösterlichen
Leben der Kunstform. Der lebendigen Bühne haben sich Gräfin Christiane Thun-
Hohenstein, die auch als Märchenerzählerin hervortrat,Heinrich Teweles, Peter Riedl,
Karl Skranp und Heinrich Swoboda genähert. Ein Kreis von Jüngeren schließt sich
den Genannten an. Die deutsche Literatur in Böhmen zu einem besonderen, abgeschlossenen
Ganzen zu Prägen, kann weder Aufgabe noch Wunsch der Werdenden und Wirkenden sein.
Wohl aber herrscht die begründete Zuversicht, daß das deutsche Geistesleben in Böhmen
den Zug ernster Überlieferung bewahren und daß Böhmens deutsche Dichtung sich als
eine kräftige eigenartige Stimme im großen Chor der deutschen Poesie behaupten wird.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Band 15
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (2)
- Band
- 15
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.07 x 22.35 cm
- Seiten
- 708
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch