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gleichem Schnitt, hier ändert sie sich in jeder Gegend, bei jedem Schlag Menschen, sie
schwimmt in Farben und zeigt Formen von künstlerischer Erfindung. Dort wird den
Leuten der Tag immer zu kurz, hier stehe» sie Einem selbst in heißester Arbeitszeit
bereitwillig Rede. Dort schleppt die Frau, aber uur die arme, ihr schweres Bündel in ein
Leintuch geschlagen auf dem Rücken, hier schwingt sich Reich und Arm den großeu Korb
mit dem Mittagessen oder das Schaff Wasser auf den Kopf und schreitet aufrecht, stramm
uud rasch, die Arme hin und wieder peudelud oder auch nachlässig gesenkt, bergauf uud
bergab. Dort fährt Dich Dein Fuhrmann Meile auf Meile, ohne ein Wort, ohne eiue
Bewegung, die reine Maschine, hier geht ihm während der ganzen Fahrt das Wort nicht
ans uud er preßt Dir ein Staatsgeheimniß nach dem andern ab. Dort trifft man ans
Erde gestampfte, ans Luftziegeln gefügte, fast nnverzierte, aber stets mit Kalk geweißte
Häuser uud kahle, mit primitiven Zäunen nmsangene Höfe, hier erheben sich geschmackvoll
angeordnete, auf größere Bequemlichkeit berechnete Wohnstätten mit säulengetragenem
Hausgang, mit wohlumgilterten, baumbewachseueu, blumeureicheu Biuueuhöseu. Dort
dehnen sich Puszteu, eine halbe Provinz groß uud mit Gehöften bestreut, hier wetteifern
mit deu Dörfern die Kellerreihen, die über den Häuserreihen entlang ziehen. Dort besteht
der „Berg", wie der Alsöldmeusch selbst die geringste Bodenerhebung titnlirt, aus eiuer
Kette von Saudhaufeu, hier sagt mau erst „Berg", wenn die Steilheit der Wege den
Radschuh einznhängen zwingt. Dort heißt schon ein Busch gleich „Wald", hier gilt der
Wald erst als solcher, weuu er den Flächenraum einer Dorsgemarkung bedeckt. Dort gibt
es Rohrsümpfe, durch Juueugewässer genährte Teiche, Moore und allenfalls auch
Wasseradern, hier besteht das Wassersystem aus Bächen, Wehreil und natürlichen
Kanälen. Dort sieht man hagere, fleischlose, wenn auch trefflich laufende Pferde, mageres
Rindvieh uud einen gewöhnlichen Schlag Schafe, hier sind Pferde und Rinder feist
gemästet, aber uicht für das Joch, sondern für das Bargeld des Marktes. Dort ist keine
Spnr mehr von dem alten Fendalwesen, die herrschaftlichen Pnszten verschwinden
förmlich unter den ausgedehnten Bauerngütern: hier liegen große Herrschaften, sitzt eine
Menge mittlerer uud höherer Adel uud die Gemeinden haben noch ihre Urbarial-
verfassnng. Dort stehen, halbe Tagereisen vou einander, große, volkreiche Ortschaften,
hier wimmelt es von kleinen Dörfern, die einander anrufen können und gegenseitig ihren
Hahnenschrei höreu. Dort herrscht eiu mehr wechselndes, hier ein mehr gleichmäßiges
Klima. Dort sind Mensch und Natnr einfacher und ungehobelter, hier gekünstelter uud
zutraulicher.
Dieses schöne Ländchen enthält, wie gesagt, drei Comitate: Tolna, Somogy uud
Baranya. Tolna und Baranya gehen in der Geschichte meist Hand in Hand und haben
anch das gleiche Schicksal; noch nnzertrennlicher sind sie im Sprichwort, denn „wer Tolna
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch