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wo bei der Krönung die Ritter vom Goldenen Sporne geweiht wurden und zweimal auch
die Urtheilsverkiiudigung in Processen erfolgte; dann die St. Martinskirche, wo der König
den Eid ablegte. Außerhalb der Stadt stand die St. Nikolauskirche und vor ihr wölbte sich
der Krönungshügel, auf dem der Köuig nach Beendigung der Krönungsceremonie sein
Schwert nach den vier Weltgegenden blitzen ließ; wenn kein Krönungshügel errichtet war,
wurden die vier Schwerthiebe auf der Höhe des St. Nikolausthurmes gethan.
Das hervorragendste Bauwerk war die königliche Burg selbst. Sie hatte zwei Thore,
uach Palota und nach Ofen hin. Geschützt war sie durch breite Wassergräben, sowie
durch weitgedehute Sümpfe, die sich seit der Reguliruug der Schlammgewässer in
fruchtbare Äcker und Wiesen verwandelt haben.
Durch nahezu drei Jahrhunderte war die Stadt fast unausgesetzt die Residenz der
Könige. Karl Robert verlegte seinen Königssitz nach Visegräd, doch blieb Stnhlweißenburg
auch weiterhin der königliche Krönnngs-nnd Bestattungsort, sowie die Versammlungsstätte
der Krönnngs-Reichstage, bis zur Niederlage bei Mohäcs. Die königliche Burg blieb
bestehen, war jedoch, wie es scheint, außer Benützung gesetzt, wenigstens kann man dies
aus dem Umstände schließen, daß die Könige später nicht in der Burg, sondern in der
Propstei abzusteigen pflegten. Fünfunddreißig Könige und Königinnen haben im Lanfe
von fünf Jahrhunderten in den Mauern dieser Burg ihre Krönungsfeste, und viele auch
ihre Hochzeitsfeste gefeiert; fünfzehn gekrönte Könige — unter ihnen Stefan der Heilige,
Koloman, Karl Robert, Ludwig der Große und Matthias — haben durch den Staub
ihrer Gebeine den Boden dieser Stadt geheiligt.
Doch die mit dem XVI. Jahrhundert anhebenden inneren Wirren und die türkische
Eroberung zerstörten auch diesen Altar der Pietät einer ganzen Nation. Stnhlweißenburg
fiel 1543 in die Hände der Türken, die sich hier 145 Jahre lang, bis 1688, zu behaupten
wußten. Nachdem das türkische Heer 1593 bei Päkozd und 16t)l bei Bnrg Csökakö
geschlagen worden, wurde die Stadt zwar im Jahre 1601 auf ein einziges Jahr zurück-
gewonnen, doch knüpfen sich an diesen Sieg traurige Erinnerungen, denn bei Gelegenheit
dieser Belagerung wurde die Perle Stuhlweißenbnrgs, die dnrch Stefan den Heiligen
erbaute Kirche zerstört und die königliche Burg durch die Türken in die Luft gesprengt.
Die Verwüstung war so ungeheuer, daß anch die übrigen Kirchen spurlos untergingen
und von einzelnen bis auf den heutigen Tag nicht einmal der Standort zu ermitteln war.
Die Festnngsmanern Stuhlweißenbnrgs wurden nach der Rückeroberung im Jahre 1688
nicht wieder aufgebaut. Nachdem eine königliche Verfügung vom Jahre 1709 den bis
dahin aufrechterhaltenen Festungscharakter der Stadt aufgehoben, wurde auch der noch
bestehende Theil der Festnngsmanern in die umgebenden Sümpfe hinabgestürzt. Nur das
Palotaer Thor, eine Mauer an der Nordseite der Festung und ein ebenda befindlicher
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Band 16
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (4)
- Band
- 16
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1896
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.18 x 21.71 cm
- Seiten
- 616
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch