Seite - 142 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17
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Klanteudorf, Sedlnitz, Seitendorf n. s. w.) versammeln sich die jungen Burschen erst nach-
mittags vor 1 Uhr bei der „Richterei". Ihre Rosse sind stattlich herausgeputzt, Schweif und
Mähne sind mit bunten Bändern durchflochten, den Rücken deckt hier eine Aufsehen erregende
rothe Schabracke, ein Erbstück aus alten Tagen, dort wieder eine grüne oder blaue Decke.
Einer der jungen Leute führt eine lange Fahne mit goldenem Knauf. Längst haben über
die Durchführung des jährlich sich wiederholenden Festes ernste Berathungen stattgefunden.
Der Würdigste von allen wurde zum Obmann der Unternehmung gewählt. Auf seineu
Schultern ruht nun die ganze Verantwortung. Er hat alles anzuordnen und zu leiten.
Schlag Eins reitet die bunte Schaar zur Kirche, dort erwartet sie der Priester. Dieser
hält an die „Saatreiter" eine Ansprache und übergibt sodann ihrem Obmann ein Kreuz,
das dieser inbrünstig küssend übernimmt. Er heißt daher auch der „Kraizlevot'r". Nuu
beginnen die Glocken zu läuten, und die Reiter reiten, den Gesang: „Der Heiland ist
erstanden!" anstimmend, hinaus aufs Feld, den Besitz des Ortes zu umkreisen. Manchmal
werden sie von Musikanten begleitet. Allwärts, wo es nur angeht, drängt sich das Volk an
den Gemarkungen der Felder an die Saatreiter heran, und der „Kraizlevot'r" muß ihm
das Kreuz zum Kuß darreichen mit den Worten: „Jech weinsch aich gleickseliche Faiertäg
onn a glorraiche Auferstehung, Allelujah!" — Der Segen, der von dem Kreuze ausgeht,
ist ein besonders kräftiger und es soll Niemand versäumen, seiner theilhaftig zu werden.
Zum Dorfe zurückgekehrt, machen die Reiter noch auf eiuer nahen Wiese einen Kreis, den
rings das Volk umstellt und den sie in gehörigem Abstand von einander und in wohl
abgemessener Rnudung dreimal umreiten, indessen die Musik irgend einen altväterischen
Marsch spielt. Der „Kraizlevot'r" hat dabei viel zu thun; denn er muß allen, die darnach
begehren, das Kreuz reichen, er darf keinen übersehen und muß in allem und jedem die
vorgeschriebene Form beobachten. Haben sie alles Land, das des Dorfes Eigenthum ist,
umritten, so kehren sie auf den Kirchenplatz zurück, wo dem ihrer harrenden Priester das
Kreuz wieder eingehändigt wird. Die Reiter steigen von ihren Rossen, die von Knechten
oder Angehörigen nach Hause gebracht werdeu. Sie selbst begeben sich mit der überwiegenden
Mehrzahl der Dorfbewohner zum nachmittägigen Gottesdienst, um mit frommen Gebeten
das Fest würdig zu beschließen.
Es wäre noch einer Sitte Erwähnung zu machen, die gleich den eben besprochenen
die Vorgänge im Naturleben zum Ausgangspunkt hat. Der in der alten germanischen
Mythologie als Grundton stets wiederkehrende Kampf zwischen Licht und Finsterniß,
Wärme und Kälte, Leben und Tod drückt sich — so zu sagen — am handgreiflichsten
aus in der oft wiederkehrenden Darstellung des Kampfes zwischen Frühling und Winter.
In einigen Dörfern des Schönhengster Gaues gehen gleich am Beginn des Faschings
zwei wunderlich gekleidete Gestalten umher — ein müder wankender weißbärtiger Greis
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Band 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch