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ein bedeutsamer Zug seines Wesens. Von früh an war die Natur seine Lehrmeisterin, und
er blieb ihr Zeit seines Lebens treu. Er studirte sie mit allem Fleiße, und seine Kenntnisse
des menschlichen Körpers, des männlichen wie des weiblichen, wie er sie in seinen Arbeiten
verwerthet, sind für den in seinem Streben auf sich angewiesenen Mann erstaunlich. Was
er aus dem Barockstil in sich aufgenommen, war die auf das Große abzielende Wirkung
desselben, das malerisch Prächtige. Wenn aber auch die asfectvolle Pose, das reichflatternde
Gewand uns ein Höheres anzeigen soll, so fordert die Natur, wie sie Kutzer verstehen und
darstellen gelernt, ihrerseits ihre Rechte; bei aller Freiheit duldet sie kein Über- und am
wenigsten ein Unmaß, und bis in die äußersten Knochenenden, in die feinsten Muskelstränge
und Adernetze tritt sie mit ihrer Wahrheit auf. Diese Eigenschaften des Künstlers sind
aus der beigeschlossenen Abbildung der Riesengestalt des heiligen Michael über dem
Hochaltar in der Kirche zu Würbenthal — der Engel ist mit Ausnahme des Flügelpaares
und des schwertschwingenden Armes aus einem Lindenstamme geschnitzt — ganz klar zu
ersehen. Sie stammt aus dem Beginn der Vierziger-Jahre und zeigt sein Können in
der Vollkraft. Stiefmütterlich bis zur Unbedeutendheit erscheint der von dem Erzengel
überwundene Böse. Die unterhalb stehenden Apostelfürsten Petrus und Paulus, namentlich
der letztere mit dem Ausdruck bewußter, gehaltener Kraft in dem energisch-schönen Kopfe,
gehören zu dem Besten, was der Meister geschaffen. Eine preiswürdige Leistung ist die
Gestalt der Assunta am Hochaltar in Zuckmantel. Wenn auch der Künstler die Motive
der früheren, durch Brand zum Theil zu Grunde gegangenen Statue beibehielt, so ist
doch die Haltung eine gemessene, edle, die Empfindung eine mehr innerliche geworden.
Eine kleine, 40 Centimeter hohe Holzstatuette, den „Seehirt von Moosebruch" darstellend
— sie gehört zu den Erbstücken der Familie — zeigt den Versnch des Künstlers,
einer Gestalt der schleichen Bolkssage plastische Form zu geben. Der Seehirt ist in den
verschiedenen Sagen immer ein anderer, Sentimentalität und Tücke wechseln bei ihm
in freiester Weise miteinander ab, angenommene und wirkliche Täppischheit spielen
gleichfalls ihre Rollen; er ist ein ärgerlicher Gesell, und wir glauben, daß der Künstler
mit dem grotesken Ausdruck des Gesichts, mit dieser affectirten, fast blöden Kläglichkeit,
die den Jammer um die verlorene Herde ausdrückt, auch dem unheimlichen Zuge der
Sage gerecht geworden ist. Als mit Beginn der Fünfziger-Jahre bei Kutzer Bestellungen
auf gothische Werke einliefen, da compromittirte er mit der Zeitströmung und arbeitete
gothisch. Allerdings wurde er mehr Nachbildner; wenn er es einmal so recht aus
Eigenem gothisch versuchen wollte, dann schlug, wie bei dem Hochaltar in Freudenthal,
trotz allem die barocke Weise mit warmem Leben in die angelernten Formen hinein; der
malerische Gesammteindrnck entschuldigt die Freiheit des Künstlers, der seiner alten Liebe
nicht untreu werden kann.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Band 17
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Mähren und Schlesien
- Band
- 17
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.42 x 21.88 cm
- Seiten
- 750
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch