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ackerbautreibenden Mönchsorden. Diese Kirche nimmt die halbe Nordseite des nach der
zweiten Hussitenkatastrophe befestigten Klosterviereckes ein; sie ist etwas großer als ihre
Vorgängerin (38 24 Meter lang, 18 15 Meter breit und 10 Meter hoch), und zwar ein
dreischissiger Hallenban, der, von einigen entwickelteren Formen abgesehen, den früh-
gothischen Charakter hatte. Das Äußere ist von mönchischer Schlichtheit; die Mauern
durch massige Strebepfeiler gegliedert; an der Westfa^ade erheben sich zwei gleichfalls
sehr einfache, quadratische Thürme von 46 Meter Höhe. Desto bedeutsamer erscheint das
Hauptportal. Seine Laibnng ist lebendig gegliedert und enthält in je zwei tieferen
Kehlungen die Figuren der vier Evangelisten, auf Säulchen stehend und von zierlichen
Baldachinen überragt. Über den Baldachinen sieht man in den am Bogen weitergeführten
Kehlungen je eine hockende Thiergestalt, aus deren Rachen eine reich mit Blättern und
Trauben besetzte Weinrebe hervorwächst, um sich bis zur stumpfen Spitze des Bogens
emporzuranken. Die Heiterkeit dieses Schmuckes wird noch gesteigert durch die neben-
einander gereihten Halbkreisbogen, die dem äußeren Stabgliede des Bogens entlang
laufend, mit ihren niederhängenden Schenkeln gleich einem Zackenbande den Thorbogen
umkränzen; das ganze Portal macht dadurch den Eindruck einer eigenthümlichen Leichtigkeit.
Die durch das Spiel von Lichtern und Schatten hervorgebrachte prächtige Wirkung jenes
Zackenbandes wetteifert mit der des Mäanders, der das Portal der Jäker Kirche umzieht.
Der Portalbogen ist durch zwei schlanke Fialen flankirt, die auf vorspringenden Wand-
konsolen stehen. Die horizontale Öffnung des Portals ist durch einen schön gegliederten
Pfosten in zwei Hälften getheilt. In der Mitte dieses Thürpfostens steht auf einem
Sänlchen, unter einem mit schlanker Fiale gekrönten Baldachin, die den vier Evangelisten
entsprechende Gestalt Christi. Die Balken des Thürsturzes ruhen aus je zwei Cousolen,
deren jede unterhalb mit einer Engelsfigur, seitwärts aber, sammt den Flächen der beiden
Balken, mit in Vierpaß gefaßten Prophetenköpfen verziert ist. Die mit verhältnißmäßig
einfachen Mitteln erzielte, ungesuchte Pracht, die aller Prahlerei bare, heitere Harmonie
der Ornamente und Figuren erheben dieses Portal unter die edelsten und geschmackvollsten
Schöpfungen der Gothik.
Durch das Portal betritt man die zwischen den beiden Thürmen gelegene niedrige
Vorhalle. Diese öffnet sich beiderseits in die gleichfalls niedrig gewölbten Joche unter den
Thürmen, welche die Fortsetzung der Seitenschiffe bilden. Über der Vorhalle und den
beiden Seiteuabtheilungen befindet sich ein Orgelchor. Die inneren Ecken der Thürme
ruhen auf starken Pfeilern. Mittelschiff und Seitenschiff sind dnrch zwei Pfeilerpaare
geschieden, die den Jnnenraum der Kirche in drei Joche theilen. Dem Mittelschiffe
schließt sich ein aus einem schmalen Joch bestehendes Chor an, das mit drei Seiten des
Achteckes geschlossen ist. Die Seitenschiffe sind um ein quadratisches Joch verlängert und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch