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ist noch der einstige Capitelsaal, jetzt Sacristei, ziemlich gut erhalten, dagegen der über ihm
befindliche Saal, der als Bibliothek gedient haben mag, überaus schadhaft. Der Capitel-
saal hat quadratische Form und in der Mitte einen achteckigen Pfeiler, an dem die schön-
gegliederten Rippen des Sterngewölbes zusammenlaufen. Der Sockel des Pfeilers ist von
Thiersignren im Relief umgeben, welche die durch die Kirche besiegte Macht der Hölle
symbolisireu. Die Franciscanerkirche zu Freistadt (Galgöcz) ist ein spätgothischer Bau
vom Jahre 1465; sein Schiff wurde im XVII. Jahrhundert neu aufgebaut, der Thurm
befindet sich an der Westsa^ade, das Portal ist recht hübsch. Weit interessanter als diese
alle ist jedoch die Franciscanerkirche des Marktfleckens Okolicsäny (Liptaner Comitat). Sie
ist das am besten erhaltene derartige Denkmal im Oberland. Sie gehört der Spätgothik
an und verdankt ihre Entstehung, nach dem Zeugniß der an ihr vorkommenden Jahres-
zahlen (1489 uud 1490) und Wappenschilder, dem König Matthias und dem Graner
Erzbischos Thomas Bakocs. Diese dreischisfige Halle ist ein sorgsam ausgeführter Bau
aus Backstein und dunkelbraunem Haustein; Schiff und Chor bestehen aus je vier Jochen;
das Mittelschiff ist von den Seitenschiffen durch achteckige, schlanke Pfeiler getrennt; die
Decke besteht aus Stern- und Netzgewölben; in der Südwand des Chores sind zierlich
umrahmte Sitznischen enthalten. Der an der Südseite des Chores stehende quadratische
Thurm hat einen neuen zwiebelförmigen Helm, das Thor in seinem Erdgeschoß ist gothisch,
wogegen seine viereckigen und rundbogigen Fenster, sowie die gleichfalls viereckigen der
Sacristei, an die Bauweise der Renaissance erinnern. In Preßburg sind Kloster und Kirche
der Frauciscauer durch Bela IV. gegründet, Ottokar verheerte sie und Ladislaus IV. ließ
sie neu aufbauen, worauf die Kirche durch Erzbischof Lodomerius von Gran im Jahre 1297
geweiht wurde. Im Jahre 1590 stürzte das Gewölbe des Schiffes ein, das aus zwei
Jochen bestehende und dreiseitig abgeschlossene Chor blieb in ziemlich gutem Zustande
aufrecht. Die interessantesten Einzelheiten desselben sind die glattschästigen Säulen,
auf denen der Triumphbogen, die Gurten und Rippen ruhen, ferner die reich mit Laub
geschmückten Schlußsteine. An der südöstlichen Ecke des Schiffes erhebt sich ein Thurm,
aus viel späterer Zeit, dem XIV. Jahrhundert. Sein Untergeschoß, das bis an das
Gesimse des Schiffes reicht, ist viereckig, sein Obertheil, von der Gepflogenheit abweichend,
nicht acht-, sonden sechseckig und aus zwei Geschoßeu bestehend, deren oberes mit gleich-
falls sechseckigem Helm abschließt. Das leicht und schlank 30 Meter hoch emporschießende
Obertheil mit seinen hohen und breiten, in den Laibungen reich gestalteten Fenstern, dem
Dreipaßfries des Gesimses, deu über uud hinter einander aufsteigenden Giebeln und deu
diese flankirenden Fialen, dazu dem mannigfaltig durchbrochenen Maßwerk und den als
Thiere gebildeten Wasserspeiern des Kranzgesimses, endlich dem schlanken, an den Kanten
mit Krabben geschmückten Helm zeigt den gothischen Baustil in seinem vollen Reichthum.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch