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vorhanden gewesene Kirchen, sind aus sauber bearbeiteten und sorgfältig gefügten Werk-
stücken gebaut, von geringem Umfang, aber ruhigen Verhältnissen und wie aus einem Guß
rein durchgeführt, wobei der Formenreichthum des gothischen Stils in aller Vollständigkeit
zu Tage tritt. Portal und Thurm fehlen; bei der Einfachheit ihrer Anordnung, mit drei
Jochen und dreiseitigem Abschluß, beschränkt sich ihr Reichthum außen auf die Strebepfeiler,
iunen auf die Gliederung der Wände, Wandpfeiler, Rippen und Gurte und auf die Fenster.
Alle drei sind vom Ende des XV. Jahrhunderts, jedoch finden sich an ihnen hie und da auch
Formen, die der Niedergangszeit angehören, allein dies stört ihre einheitliche Wirkung
nicht und thut ihrem Kunstwerth keinen Eintrag.
Der Anbau an der Nordseite der Franciscanerkirche zu Preßburg ist eine dem
heiligen Johannes geweihte Doppelkapelle. Ihr unterer Raum diente zu Bestattungen;
er besteht blos aus einem Joch nebst Abschluß und ist seiner Bestimmung nach schöner
ausgestattet, als gewöhnlich der Fall, indem seine Wandpfeiler durch Dienste gegliedert siud
und au einem Schlußsteine des Gewölbes ein Wappen ausgehauen ist. In der oberen
Kapelle, wohin aus der Kirche acht Stufen emporführen, herrscht die volle Pracht der
gothischen Kunst; sie ist der Länge und Breite nach mit Gliederungen bedeckt. Die birn-
förmigen Dienste der stark vorspringenden Wandpfeiler sitzen auf hohen Basen und Sockeln
auf; aus ihnen entwickeln sich ohne Unterbrechung die Gurte, desgleichen die Rippen der
Kreuzgewölbe in den Jochen und des Sterngewölbes im Chorabschluß. Am Fuße der
mittleren Dienste springen Säulen vor, über deren laubgeschmückten Capitäleu sich
baldachingekrönte Nischen bilden, in denen GyPsstatnen aus neuerer Zeit stehen. Die
Schlußsteine sind mit Wappenschildern geschmückt. In den Zwischenräumen der Wandpfeiler
befinden sich niedere Steinbänke, über denen sich eine Blendarkade von tief aus der Wand
herausgearbeiteten Stabgliedern und reichem Maßwerk erhebt. Die hohen und breiten
Fenster bilden gleichsam die Fortsetzung der Arkaden und sind, der Gliederung derselben
entsprechend, an der südlichen Wand vierfach getheilt mit Vierpaß-Maßwerk, im Chor-
abschluß dreifach getheilt mit Dreipässen. Das Äußere ist schlicht; die Wand des West-
giebels ist mit einem vierfach getheilten Blendfenster, das Gesimse mit Blätterbüscheln
und einer Kreuzblume geschmückt.
Die Frohuleichnamskapelle an der Südseite der Zipser Kathedrale und die Maria
Himmelsahrtskapelle an der Südseite der Pfarrkirche zu Douuersmark in der Zips
(Szepes-Cfötörtökhely) sind Geschwister. Beide sind ans Werkstücken erbaut. Ihr dem
Namen nach unbekannter, doch vortrefflicher Meister ließ es sich besonders angelegen
sein, die Richtigkeit der Verhältnisse zu wahren, die Masse der coustruetiven Theile in
wohlgegliederte Form zu bringen und das Ornament mit der Constrnction in organischen
Zusammenhang zu setzen; nnd da er sich darauf beschränkte, vermied er die am Ende des
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch