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besseren Zeit der Gothik bewahrt. Die unter den zierlichen Baldachinen stehenden Statuen
sind, mit drei Ausnahmen, neueren Ursprungs.
Und noch zweier Gebilde der gothischen Bildhauerei ist hier Erwähnung zn
thnn. Die in Deutschland so häufige, den Ölberg darstellende Figurengruppe kommt im
Oberland nur einmal vor, und dieses einzige Exemplar besitzt Neusohl. Die aus Stein
gehauenen und farbig bemalten, im Vordergrunde lebensgroßen Statuen und die Reliefs
des Hintergrundes nehmen den Raum einer gothisch eingewölbten Nische an der Südwand
der Kirche ein. Im Vordergrunde kniet Christus, den Blick dem auf dem Felsgipfel
erscheinenden Engel zugewendet und mit gefalteten Händen betend. Vor ihm liegt Petrus,
rechts und links von diesem schlummern Jacobns und Johannes. Im Hintergrnnde
drängen sich durch die Gartenpforte, von Judas geführt, die Häscher ein; einige von ihnen
kriechen über den Zaun. An die Rückwand der Nische ist eine mittelalterliche Stadt mit
Basteien und Wällen gemalt; vielleicht Neusohl selbst. Die künstlerische Auffassung vom
Ende des XV. Jahrhunderts ist durch das Streben nach Naturwahrheit, höchst unruhige
Bewegungen, rohe Formen und Lebendigkeit des Ausdrucks gekennzeichnet. Das Werk
kann sich getrost neben den besten Ölbergen Deutschlands sehen lassen. Der unbekannte
Meister kann, wie jeder Zug verräth, nur ein Deutscher gewesen sein. Die Wappen, mit
denen die Schlußsteine des Gewölbes geschmückt sind, lassen einen angesehenen Bürger
der Stadt, Michael Königsberger, als Besteller des Werkes erkennen. Zu den Einrichtungs-
stücken der Kirche von Garam-Szent-Benedek gehörte eines der ältesten Werke der Holz-
schnitzkunst in Ungarn und zugleich hier das einzige seiner Art: das heilige Grab oder
der Sarg Christi. Das Werk wurde vor Kurzem wieder hergestellt und in die Graner
Kathedrale geschafft, wo es fortan verwahrt wird. Das anf kleine Räder gestellte nnd
ganz vergoldete Gebilde besteht aus einer etwa 2 Meter langen, 1 35 Meter breiten
und 1 58 Meter hohen Trnhe, über der sich ein kleines, 1 75 Meter hohes Gebäude mit
Kuppeldach erhebt. Die Seitenflächen der Truhe sind mit farbigen Reliefdarstellnngen
geschmückt. An den Langseiten sieht man in besonderen Feldern die Wächter des Grabes
Christi zu dreien, wie sie staunend aus dem Schlummer erwachen; an der einen Schmalseite
befreit Christus die Seelen aus dem Fegefeuer, an der anderen versammeln sich die
heiligen Frauen bei dem Grabe Christi. An den Seitenflächen des Gebäudes befinden sich
durch Zwischenwände getrennte Öffnungen, durch welche mau' den innen ruhenden
Leichnam Christi sieht; vor den Zwischenwänden aber stehen auf zehn niedrigen Säulchen
unter zierlichen Baldachinen die farbigen Einzelstatuen der Apostel; von zwei Säulen sind
die Apostel verloren gegangen. Das Kuppeldach ist mit einer über dem Kraiizgesimse
umlaufenden, aus Blumen gebildeten Brüstung, Fialen, Baldachinen, Giebeln und hübsch
geschnitzten Mustern belebt. An dem Antlitz Christi hat der Plastiker die Verzerrung der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch