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Züge, die einen ganzen Volksstamm, oder doch einen beträchtlichen Theil desselben zu
charakterisiren pflegen, ändern sich hier sozusagen von Gemeinde zu Gemeinde. Die
Männer sind meist von mittlerem Wuchs, doch kommen hie und da auch hohe, kräftige
Leute vor, z. B. die Gyetvaer im Sohler Comitat; dagegen trifft man in einzelnen
Ortschaften der tiefen Seitenthäler häufig Scharen von kleinen, untersetzten Männern.
Bei den Weibern bilden die von kleinem, vollem Wuchs die Mehrzahl. Neben länglichen
Gesichtern kommen vielfach auch runde vor. Das Haar ist meist blond oder hellbraun;
schwarzes Haar findet sich selten, rothes ist vollends eine Rarität. Viele Männer tragen
das Haar nach altem Gebrauche noch jetzt bis auf die Schultern reichend und fetten es,
besonders an Sonn- nnd Feiertagen, stark ein, wodurch seine Farbe dunkler wird. Auch
das Haar der Weiber glänzt von Fett; die Mädchen tragen es als Zopf, lang herabhängend
und mit bunten Bändern durchflochten. Runde Bärte sind nicht gebräuchlich, ja selbst das
Rasiren des Schnurrbarts beginnt erst bei der jüngeren Generation abzukommen. Die
Farbe der Augen, die Form der Nase und die Stirne zeigen ebenso wenig einen einheit-
lichen Typus, als der ganze Wnchs.
Geringer sind die Unterschiede in den Charaktereigenschaften der Slovaken. Der
schwere Kampf ums Dasein hat bei ihnen Arbeitsamkeit und Fleiß entwickelt, und sie
eignen sich dadurch besonders zu mechanischer Arbeit, auch scheuen sie vor keiner Art der-
selben zurück. Ihr Arbeiten ist langsam, aber emsig und ausdauernd. Der übermäßige
Hang zum Branntwein und die kärgliche Nahrung, mit der sich das Volk von Tag zu Tag
fortfristet, lassen seine Langsamkeit nnd Schwerfälligkeit begreiflich erscheinen. Dazu kommt
noch das Bewußtsein seiner Armuth, das seine Geduld bis zur Gleichgiltigkeit und hie und
da auch seine Furchtsamkeit bis zur Feigheit steigert. Es ist nicht aufbrausend, eher leiden-
schaftlich, und wagt nicht die Stirne zn bieten; behutsam weicht es dem Ungemach aus,
oder sucht auf heimlichen Wegen Genugthuung. Zu schwereren Vergehen neigt es weniger
und aus der Anklagebank legt es sehr aufrichtige und vollständige Bekenntnisse ab. Seine
Dienstsertigkeit rührt von seiner Armuth her, aber es will auch für jeden Dienst entlohnt
sein. Gegen Vorgesetzte ist es unterwürfig, anständig und bescheiden. Wer sein Vertrauen
gewonnen hat, dem bleibt es in unerschütterlicher Treue zugethan. Sein Selbstgefühl weiß
es zu unterdrücken; im Entschluß ist es schwankend und läßt sich meist durch sein materielles
Interesse, das wirkliche oder auch nur eingebildete, bestimmen. „Mach Gott nicht böse und
sei auch mit dem Teufel gut Freund", „wer unter Raben kommt, muß mit ihnen
krächzen", „eine gute Ausrede ist einen Groschen wert" — in diesen und ähnlichen
Sprichwörtern drückt sich die Lebensweisheit des slovakischen Volkes aus.
Einer seiner durchgehenden Charakterzüge ist die Religiosität. „Der liebe Gott
weiß ganz gut, was er thut", dieses Sprüchlein ist sein Trost in jeglicher Widerwärtigkeit;
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch