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Bänder angebracht ist. Diesen Schmuck befestigt nnn die Starostin auf dem Kopfe der
Braut, während die Brautjungfern singen:
Die Scene des „Aufflechtens" ist in der That sehr rührend. Die Mutter reicht
dem ältesten Bruder der Braut den gewünschten „Schleier" (?o6vviku), das ist ein
weißes, seiner Länge nach mehrfach zusammengefaltetes Tuch. Der Bruder schlingt das
Tuch um den Hals der Schwester, bindet es über der Brust mit dem Trauerbande,
während die Enden des Tuches lose bis zu den Knieen herabhängen. Nun erhebt sich
die Braut von ihrem Sitze, vollzieht zum Zeichen des Dankes das „Kniefassen" an ihrer
Mutter, der „Starostin", den Brautjungfern nnd dem Brnder, woranf die Mädchen
wieder zu singen beginnen:
„Mach auf, o Mutter, das Kämmerlein ! Vom ueucn Haus mach' auf die Thür
Und gib heraus die Ruthe fein; Und gib heraus mein Kränzlein mir!"
Nach dieser Aufforderung bewegt sich der ganze Hochzeitszug mit dem Starosten
und der Musik an der Spitze vor die Kammer, die Mntter der Braut bringt die Ruthe
von dort heraus und überreicht sie dem Starosten. Die Mädchen singen:
„Der Schulz geht über's Brückcheu ! Der Schulz hat sich zum Flur gewandt,
An seinem langen Röckchen, - Das Rüthlein grünt in seiner Hand."
Die Musik spielt und der Zug kehrt in die Wohnstube zurück. Hier heben die Braut-
jungfern sofort an: „Tretet an Ihr Eltern, tretet an und segnet die Kinder zur Trauung."
Aus diesen Ruf hiu nehmen die Eltern der Braut am Tische Platz, der Starost, die
Ruthe immer in der Hand, heißt das Brautpaar sich neben ihn aufstellen nnd beginnt,
sowie sie den Eltern gegenüber beisammen stehen, die „Abbitte", das heißt er hält eine
Anrede und, wenn er es selbst nicht kann, so thnt dies ein Gewandterer für ihn. Solcher
Abbittreden gibt es viele, in Prosa sowohl, als auch iu Reimen verfaßte. Bei den Lasowiaken
wird zumeist folgender Text gebraucht: „Ich bitte Euch alle. Freunde, Nachbarn, Brüder
und Schwestern lim Aufmunterung . . . . Gelobt sei Jesus Christus! Dn aber Bräutigam
und Du Braut, macht Ench auf den Weg zur heiligen Kirche, zum Ehestande, zur ewigen
Vermählung. Diese Eure Eltern hier haben Ench dazu auserzogeu und Euch beschenket
nach Möglichkeit. Wenn Du sie einmal beleidiget und nicht um Verzeihung gebeten hast,
so thue ihnen Abbitte. Ihr aber, Eltern, verzeihet Eureu Kindern von ganzem Herzen, ans
Eurer ganzen Seele nnd segnet sie für ihren künftigen Lebensweg. Wenn Gott immer in
Eurem Herzen und Gedächtniß fein wird, wenn Ihr Euch gegenseitig achten werdet, so
wird es Euch gedeihen in der Kammer und im Speicher, im Hause und auf dem Felde.
„Mutter richte her den Schleier
Und dn Brüderlein umwinde
Deine Schwester zu der Feier, Rund um sie den Schleier binde.
Schmückt sie so das Brüderleiu,
Weinet heiß das Schwesterlein."
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch