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Samstag in der Früh begeben sich die Verlobten in die Kirche, wo sie beichten und
während des Gottesdienstes die heilige Cominnnion empfangen. Vor dem Kirchgang wird
aber das Haar der Braut von der cki-üöka auseinandergeflochten, glatt gekämmt und auf
den Kops derselben der ans Sinngrün (dar^vinok) gewundene Kranz gesetzt, an welchen
rückwärts zahlreiche bunte, meistens rothe und blaue, ellenlange Seidenbänder geheftet
sind, die gleich dem gelösten Haupthaar frei herabwalleud, eine schmucke Mädchengestalt
recht hübsch zieren. In manchen Gegenden wartet die Braut so lange, bis der Bräutigam
mit dem Brautführer und den Musikanten kommt. Dann setzt man die Brant auf eiueu
Stuhl, der mit einem Pelz mit nach auswärts gekehrtem Haar bedeckt ist und nun schreitet
der Brautführer, der Starosta, die Mutter und hierauf die ganze Familie der Reihe nach
heran, um der Braut das Kopfhaar auseinander zu flechten, welches Ceremoniell die
Mädchen mit rührendem Gesang begleiten.
Nach dem Kirchgang kehrt jedes von den Verlobten in sein Hans zurück oder sie
gehen noch in das Dorf, um Gäste zur Hochzeit einzuladen. Vor dem Ausgang ertheilt
die Mutter der Braut ihren Segen und beginnt mit der Ausschmückung des Bäumchens
oder richtiger eines Zweiges, Iiiice oder ilee genannt. Dieses lülce ist im Winter ein
Fichtenzweig (in manchen Gegenden meterhoch), zu anderer Jahreszeit ein Weichsel- oder
Birnbaumzweig, welcher in ein Laib Brod (in manchen Gegenden in das Hochzeitsbrod)
gesteckt und mit Haferähren, Waldholunder, Sinngrün, bunten Federn, verschiedenen
Blumen, farbiger Stickwolle, Seide uud Bändern geschmückt wird. Dieses reich verzierte
Hvchzeitsbäumchen steht während der ganzen Hochzeitsfeier auf dem Tisch. Während der
Ausschmückung desselben, an welcher die Eltern der Braut und im Hause des Bräutigams
die Eltern und Gäste des letzteren theilnehmen, werden Hochzeitslieder gesungen:
Neben dem Zimmerchen, neben dem neuen,
Fliegt eine Nachtigall und guckt ins Zimmer,
Ja, ins Zimmerchen guckt sie hinein.
Dort ihre Nester bauen die Dohlen! —
Baut sie für euch und für mich, ihr Dohlen;
Bant sie für euch aus Raute und Minze,
Doch aus Federchen baut sie für mich! — Neben dem Zimmerchen, neben dem neuen,
Schafft umher mein süßes Mariechen,
Und in das Zimmerchen guckt sie hinein.
Doch winden Mädchen duftige Kränzchen.
Windet sie, Mädchen, für euch und für mich;
Windet für euch sie aus Raute und Minze,
Mir aber macht sie aus Immergrün! —
Ein Ästchen von der Tanne,
Ein Reis vom rothen Schneeball,
Ein Kräutlein auch vom Immergrün,
Und vom Basilienkraute!
Ein Ästchen — eine Tanne,
Von oben bis unten ein Schneeball! (S.-St.)
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch