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Die Kaleki besangen Heldenthaten aus der Vorzeit, daher nannte man diese
heroischen Lieder Bytyny, das heißt eine Erzählung dessen, was längst vorgefallen war.
Der Säuger unterbrach oft den Gesang durch eine lebhafte Begleitung, deren Zweck es
war, die Stimmung der Zuhörer zu heben. Mitten im Gesänge begann der Sänger zu
erzählen, indem er, wie ein Vater den Kindern die Bedeutung des Gesungenen darlegte.
Gesang und Erzählung waren frei von subjektiven Gefühlen. Drei Faetoren gaben
den Ausschlag: Schönheit der Stimme, Schönheit der Begleitung und ausdrucksvolle
Deklamation. Dynamische Effecte waren ausgeschlossen, eine gewisse Monotonie verlieh
dieser Recitation Würde und bildete den eigentlichen Reiz, nur das Tempo wechselte von
Zeit zu Zeit. Von diesen Gesängen sind nur einige erhalten. Ich führe hier das Motiv
einer Bytyna an, welches meiner Ansicht nach sehr charakteristisch ist. Der Anfangstext
erzählt: „In der berühmten Stadt Czernigöw lebte eine Witwe, die erzweise Sophie."
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Der Sänger sang ein solches Lied im langsamen, jedoch im gehenden Tempo und
hielt bei den oben angegebenen Accenten ein wenig an. Das Zurückhalten war ungleich und
darin lag das Phantasievolle des Rhythmus. Die Begleitung bestand in Arpeggien. Die
Melodie weist im dritten Tacte anf eine Modulation hin. Die zu modnlirende Note bekam
einen stärkeren Accent und das Tempo wurde bedeutend verlangsamt. Im vierten Tact
kam ein kräftiger Accent auf das wonach der Sänger wieder in die ursprüngliche
Tonart einlenkte und immer mehr zurückhaltend auf dem letzten Accent ein wenig ruhte.
Wandernde Sänger verfaßten nicht nur heroische Lieder, deren Vortrag einen Sänger
von Fach erforderte; sie verfaßten auch Volkslieder im eigentlichen Sinne des Wortes.
Andere wieder befaßten sich ausschließlich mit frommen Liedern. Die meisten davon werden
noch jetzt gesungen; viele reichen bis in die Anfänge des Christenthums zurück. Die Bytyny
gehören zu den Seltenheiten, da nach dem Jahre 1241 diese Gattung vollkommen
verschwand. Während der Epoche der Tatarenherrschaft büßten die Kaleki und Slepcy
ihre Bedeutung ein lind sanken endlich zu Bettelsängern herab. Eine neue Gattung Sänger
kam zum Vorschein mit dem Emporkommen des Kozakenthums, nämlich die sogenannten
Bandnristen, welche als Kriegssänger mit den Kozaken in den Kampf zogen und in
Friedenszeiten Heldenthaten berühmter Kozakenanführer besangen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch