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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Seite - 552 -
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552 Die Volksmusik bei den Polen stellt einen ganz besonderen Typus dar. Die Hauptcharakterzüge bestehen in der unendlichen Mannigfaltigkeit des Rhythmus, in kurzen musikalischen Phrasen und in der lebhaften Bewegung. Die Volksmusik der Polen unter- scheidet sich daher auffallend von der Volksmusik der östlichen und südlichen Slaven. Eine breitangelegte Melodie, in welcher der Rhythmus in milderen Accenten sich bewegt, wechselndes Tempo mit wechselndem Tact ist der polnischen Volksmusik vollkommen fremd. Ein anderer wichtiger Charakterzug der polnischen Volksmusik ist das Solistische, neben vollkommenem Mangel an polyphonen Anlagen, entsprechend dem mangelnden Bedürfniße, in der Mittellage zu singen, und der schwach entwickelten Anlage zur reinen Intonation. Das polnische Volk singt immer höher als die natürliche Mittellage der Stimme es erlaubt, und es wird namentlich bei den Weibern als gute Eigenschaft angesehen, wenn sie in der Kirche in einer möglichst hohen Stimmlage singen. Die polnische Volksmusik kann in zwei Gruppen getheilt werden: in Lieder, welchen ein Tanzrhythmus zu Grunde liegt, und in Lieder mit weicheren Accenten. Die erste Gruppe ist die zahlreichste und interessanteste. In diesen Liedern offenbart sich Ritterlichkeit und Vornehmheit gepaart mit Humor. Für Leid, Sehnsucht bleibt hier kein Raum. Bei den Kleiurusseu äußert sich in allen Liedern, welcher Art dieselben auch sonst sein mögen, Melancholie. Der Pole erfüllt sein Lied mit der Zuversicht des lustigen Lebemannes, ein Ausruf am Ende der Strophe verleiht seinem Liede einen kecken Charakter. Während der Kleinrusse sich im langsamen Tempo gefällt, sind rasches Tempo und harte Tonart die Hauptmerkmale eines echt polnischen Liedes. Der volksthümliche Kirchengesang vermochte beiden Polen niemals eine gewisse Höhe zu erreichen. Der Ritus der abendländischen Kirche erforderte weder Sänger noch Chöre, das Volk sang fromme Lieder und Litaneien, bei welchen die Hauptsache war, den Text von Anfang bis zu Ende nach einer kurzen unbedeutenden Melodie zu singen. Mit der Einführung der Orgeln begann die Epoche unwissender, roher Organisten, deren Kunst in kurzen Responsorieu und im Vorsingen und Mitspielen der Lieder und Litaneien bestand. Von gebildeten Vorsängern, Componisten, Lehrern oder von Sängerschulen im Allgemeinen war keine Spur. Die Ausbildung des Kirchengesanges in Polen wurde auch dadurch gehindert, daß die höheren Classen sich um denselben nicht kümmerten. Zwar gab es an einigen Kathedralen schon im XV. Jahrhundert Sängerchöre, welche künstlichen Gesang pflegten, an den Höfen großer Machthaber und an königlichen Kapellen standen Kapellmeister an der Spitze der Musikkapellen, aber dieser Gesang und diese Musik, der Genuß vornehmer Personen, ragte so sehr über die musikalische Leistungsfähigkeit des Volkes hinaus, daß sie zur Förderung und Hebung des volksthümlichen Kirchengesanges so gut wie gar nichts beitrugen. Das Volk sang seine Lieder und Litaneien, ohne sich um diese künstliche Musik zu kümmern.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Band 19
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Galizien
Band
19
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1898
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.48 x 22.34 cm
Seiten
920
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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