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Stanis law Orzechowski, im Jahre 1515 geboren, in seinem vierzehnten Lebens-
jahre nach Wien geschickt, von da nach Wittenberg entführt, wo er Protestantischen Einflüssen
ausgesetzt war, dann wiederum in Italien, wo er (wie er in seiner Autobiographie erzählt)
streng katholisch wurde, sah sich uach seiner Rückkehr in die Heimat von seinem Vater
gezwungen, in den Priesterstand zu treten. Bald nach seiner Weihe debntirte er glänzend
in der schriftstellerischen Carriere. Die Gelegenheit war günstig, ans Anlaß der Heirat
des jungen Königs (Thronfolgers) Sigmund August mit Ferdinands I. Tochter Elisabeth
dem künftigen Herrscher die Gravamina und Postnlata der Unterthanen ans Herz zu legen.
Andererseits stand Polen nach dem Fall von Ofen nnter dem Eindrucke der Türkengefahr.
Mit Scharfsinn und Glück ergriff Orzechowski diese Gelegenheit, um seinen Fidelis
Snbditns, eine Rede im ciceronischen Stil über die Pflichten des jungen Köuigs, und
seine Tnrcica, eine Aufforderung zum Türkenkriege, zu veröffentlichen.
Beide Schriften verschafften ihm einen ungeheueren Erfolg. Politischen Sinn bewiesen
sie eben nicht zu viel; aber um so mehr schriftstellerisches Talent. Der junge Canonicus von
Przemysl erlangte eine Popularität, die ihm bald sehr zustatten kam. Er ließ nämlich zwei
Schriften erscheinen, ,<Ze Loelidntus* und ,ck« IZuptisino klutkenoi'um",
die von der Streng-Orthodoxie stark abwichen und dem Verfasser ernste Rügen von Seite
seines Bischofs zuzogen. Er unterwarf sich und versprach in Zukunft nichts zu veröffentlichen,
noch vorzunehmen, was nicht mit der Lehre der Kirche im Einklang wäre. Kaum aber war
dies geschehen, als er einen Pfarrer zur Heirat bewog, einen andern verheirateten unter
seinen Schutz nahm und öffentlich erklärte, er wolle selbst in der nächsten Zeit heiraten. Der
Bischof citirte ihn vor sein Gericht; er erschien mit einem Gefolge von ein paar hundert
bewaffneten Edelleuten. Die Angelegenheit sollte vor eine bischöfliche Synode zu Petrikau,
und zwar gleichzeitig mit dem daselbst eröffneten Reichstage kommen. Der ganze Adel und
der Senat war durch die heimliche, jetzt erst officiell angekündigte zweite Heirat Sigismund
Augusts mit der schönen Barbara Radziwitt erbittert. Orzechowski, nm in seinem Streit
mit dem Bischof Alliirte zu gewinnen, schrieb jetzt gegen die arme junge Königin, unter dem
Titel »Oratio uck Lcjultss Nnjoris I>c»lc»niae-, ein abgeschmacktes, unwürdiges Pamphlet,
das aber doch seine Wirkung nicht verfehlte. Die öffentliche Meinung erklärte sich für
Orzechowski in einer Art, daß die Bischöfe es nicht wagten ein Urtheil zn fällen; sie
begnügten sich mit dem feierlichen Versprechen Orzechowskis, er werde nicht heiraten,
bevor er ans Rom eine Dispens erhalten habe. Dies geschah gegen Ende des Jahres 1550;
am Anfang des Jahres 1551 war er bereits vermählt. Nnn vernrtheilte ihn der Bifchvf
(Dziadnski) zum Vermögens- und Ehrenverluste. Das Urtheil rief eine ungeheuere
Aufregung im ganzen Reiche hervor, die bei dem sehr raschen Zunehmen der protestantischen
Strömung gefährlich werden konnte. Die Sache ging an den obersten kirchlichen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch