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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Seite - 614 -
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614 welche in der Seele einer Nation aufkommen konnten, die seit Jahrzehnten über ihr Los empört, sich endlich zu heldenmüthigem Kampfe aufrafft und unterliegt. Je weniger sich das patriotische Bewußtsein praktisch bethätigen konnte, desto unwiderstehlicher ergoß es sich in die einzige Richtung, die ihm offen stand, in das geschriebene Wort. So kam es, daß die Dichtung im Leben der Nation eine Stellung übernahm, die ihr Wesen und ihre Bestimmung überschritt. Aber sie konnte nicht anders, sie mußte jenem Bewußtsein Genüge thun und Ausdruck geben. Dazu kommt noch die in der damaligen Lage und Geschichte Polens höchst bedeutsame Thatsache der Emigration. Die besten und tüchtigsten Männer waren theils verbannt, theils freiwillig ausgewandert, in dem trügerischen Wahn, dem Vaterlande auswärts besser dienen zu können; die bedeutenden Schriftsteller fast alle, die Dichter ausnahmslos. Sehnsucht, öfters Entsagung und Noth, alle möglichen religiösen, philosophischen, politischen und socialen Systeme und Tendenzen, welche in den ohnehin gereizten Geistern und Herzen massenhaft Zutritt finden, immer nene Irrlichter diplomatischer oder revolutionärer Hoffnungen und Pläne: all dies mußte einen jeden insbesondere und alle insgesammt aus dem normalen Gleichgewicht bringen. So erklären sich die begangenen politischen Fehler, und die übermäßig große Rolle, welche der Poesie in dieser Bewegung zugewiesen war, sowie die falsche Richtung, in welche die letztere hie und da gerieth. Der grenzenlose patriotische Schmerz aber erklärt die unvergleichliche Begeisterung, Kraft und Wirkung dieser Poesie. Sie wollte indeß nicht blos ein Ausdruck alles vergangenen oder gegenwärtigen Jammers sein: sie ging jenem Trieb der polnischen Seele voran, oder eher nach, welcher ergründen wollte, wie denn ein Unheil und ein Unrecht, gleich der Theilung Polens erklärt werden könne, was wohl Gottes Absicht dabei gewesen sein könne, wie dieser historische Proceß enden werde? Die Poesie wollte die Vergangenheit erklären, die Zukunft errathen. Aus einer patriotischen wurde sie zu einer historiosophischen, hie und da zu einer mystischen. Die Quelle dieser Richtung bricht in der Fortsetzung der Ahnen hervor, die Mickiewicz im Jahre 1832 geschrieben hat. Wie der frühere, so ist auch dieser Theil der Ahnen des Dichters eigene Lebensgeschichte. Derselbe Gustav, welcher sich dort als ein Gespenst ansah, weil er allen Gefühlen gestorben zu sein glaubte, erwacht im Gefängniß zu neuem Bewußtsein. Er zeichnet diese Verwandlung seines Inneren auf, indem er auf die Wand seiner Kerkerzelle die Worte: ,Obiit Kustavus, vatus est Ovnrackus" schreibt. Die Gefangenen versammeln sich heimlich am Abend vor Weihnachten: einer von ihnen wurde morgens zur Untersuchung durch die Straßen geführt und erzählt, was er da gesehen hat. In eine Reihe von Kibitken wurden Gefangene gepackt und nach Sibirien fortgeschickt. Durch die Plastik der Beschreibung und die Erhabenheit (im Schlußgebet) bezeichnet diese
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Band 19
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Galizien
Band
19
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1898
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.48 x 22.34 cm
Seiten
920
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
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