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und so bestand auch der jüngere Nachwuchs aus meistens minderwertigen Elementen. Das
Handelsschulwesen erfreute sich auch keiner genügenden Fürsorge. Erst in den letzten Jahren
entstand in Krakau die erste höhere Handelsschule, welcher demnächst eine ähnliche Anstalt
in Lemberg folgen wird. Dieser Umstand erklärt auch theilweise die stark anschwellende
Bewegung auf dem handelsgenossenschaftlichen Gebiete, indem der reine Privathandel sich
nicht genug solid und leistungsfähig erwies, um die Bedürfnisse des eonsnmirenden
Publikums und der einheimischen Producenten entsprechend zu befriedigen. Wir wollen
hoffen, daß, nachdem die jetzt allgemein herrschende Abneigung gegen den Kaufmannsberuf
im Schwinden begriffen ist und von Jahr zu Jahr mehr tüchtige und intelligente junge
Leute sich diesem Berufe widmen, in nicht allzu ferner Zeit der galizische Handelsstand seine
ökonomischen und nationalen Pflichten gegen das eigene Land mit bestem Erfolge
erfüllen wird.
Bei Besprechung der Handelsverhältnisse Galiziens wurden bereits oben einige
wichtige Industrien dieses Kronlandes erwähnt, insoferne dieselben Exportartikel von
größerer Bedeutung liefern. Es erübrigt nun noch die hauptsächlich für den inländischen
Markt arbeitenden Gewerbe zu beschreiben, wobei wir uns indeß mit Rücksicht auf
den uns zugewiesenen Raum auf die Hervorhebung des Hauptsächlichsten beschränken
müssen.
Die Prodnetion unseres Landes umfaßt vorwiegend landwirthfchaftliche Erzeugnisse.
Mehr als vier Fünftel der Landesbevölkerung betreibt Ackerbau als Haupt- oder doch als
wichtigen Nebenerwerb. Nach der Volkszählung des Jahres 1890 entfielen auf die land-
wirthfchafliche Bevölkerung über 5 Millionen, dagegen auf die gewerblichen Klassen etwas
über 600.000 Seelen, worunter 91.000 selbständige Gewerbetreibende mit kaum 133.000
Arbeitern. Es erhellt aus diesen wenigen Ziffern, daß 1. die gewerbliche Produktion
hierzulande weit hinter der landwirthschastlichen an vvlkswirthschaftlicher Bedeutung
zurücksteht, und daß 2. dieselbe vorwiegend in kleinen Unternehmungen mit geringer
Arbeiterzahl, gewöhnlich ohne Mithilfe von mechanischen Motoren, betrieben wird.
Galizien ist denn auch in Österreich noch immer das classische Land der Hausindustrie und
des Kleingewerbes. Dafür fehlt uns leider bisher die eigentliche Großindustrie, jene
kapitalskräftigen Riesenbetriebe, welchen die westlichen Kronländer ihre gewerbliche
Vorherrschaft und ihren gewaltigen Reichthum verdanken. Es genügt in dieser Beziehung
auf die charakteristische Thatsache hinzuweisen, daß nach der Statistik des Jahres 1894
in Galizien kaum sechs Aktiengesellschaften (ohne Eisenbahnen) bestanden, während z. B.
Böhmen 121, das winzige Schlesien 11 Actiengesellschaften aufzuweisen vermochte. Wenn
wir von den drei Creditactiengesellschasten absehen, so verbleiben im Ganzen drei Actien-
gesellschaften für den gefammten Handel und die gesammte Industrie (sammt Bergbau)
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch