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Freude, weil dies die Bedeutung hat, daß das Kiud ein Knabe ist. Hierauf wird der
Ortsseelsorger verständigt, der das Kind nnd das ganze Haus mit Weihwasser besprengt
oder dies durch die Hebamme verrichten läßt, auf daß der böse Geist und andere Unglücks-
fälle von dem Kinde nnd dessen Mutter ferngehalten werden. Sobald die Nachbarinnen,
die Anverwandten und die Freundinnen der Frau von dereu glücklichen Niederkunft
Kenntniß erhalten, eilen sie mit allerlei Geschenken (rockin), die zumeist in Nahrungsmitteln
bestehen, herbei, um den neuen „Gast" (oaspe) zu bewillkommen nnd dessen Mntter zu
beglückwünschen. Dies dauert bis zur Taufe, die, wenn die Umstände es nicht anders
erheischen, am achten Tage nach der Geburt vorgenommen wird.
Es ist allgemeiner Volksglaube, daß bis zum dritten Tage nach der Geburt des
Kindes die Schicksalsgöttiuueu (urckito»rele, urckitele) zu dem Neugeborenen kommen und
die bedeutenderen Ereignisse für sein Leben feststellen. Daher sagt auch der Erwachsene,
wenn er im Leben von Unglücksfällen heimgesucht wird, oder wenn es ihm besonders gut
geht: ^ s ä m i - a kost urckita! — So war es mir beschiedeu!" Während dieser drei Tage
brennt die ganze Nacht hindurch das Licht im Zimmer, wobei man aber die Fenster so
verhängt, daß man von draußen das Licht nicht bemerkt, da es sonst den böswilligen
Frauen oder Hexen leicht würde, den Neugeborenen des ruhigen und stärkenden Schlafes
zu berauben und ihn zum fortwährenden Weinen zu bringen (sä eapete plänsori).
Nach der Taufe des Kindes wird in der Regel ein Schmaus (cumätrie) zu Ehren
der Taufpatheu (cumätri, nänasl) und der eingeladenen nächsten Verwandten, Nachbarn
und Freunde veranstaltet, bei welcher Gelegenheit die Tanfpathen den Täufling mit einem
Biehstücke oder mit Geld beschenken und die Gäste ebenfalls Geschenke mitbringen. Das
Bad (seälckuseä), in welchem der Täufling das erste Mal nach der Taufe gebadet wird,
wird in dem Garten an der Wurzel des größten, schönsten und fruchtbarsten Obstbaumes
ausgegossen, auf daß das Kind ebenso hübsch wachse und gedeihe. In dieses Bad werden
auch Geldstücke für die Hebamme geworfen; in die folgenden Bäder aber werden allerlei
wohlriechende, reinigende und stärkende Pflanzen gethan, damit das Kind sich kräftige,
entwickle und besonders die Mädchen sich schön entfalten.
Sobald die Mutter die Führung des Hauswesens wieder übernimmt, so legt sie
vor dem ersten Ausgang, quer über die Wiege oder an dieselbe den Kehrbesen oder den
Schürhaken, damit nicht böse Geister und Hexen das Kind verunstalten oder es gar mit
einem anderen garstigen und krüppelhaften vertauschen können: vom Hause aber darf sich
die Mutter durch vierzig Tage nicht entfernen, nicht einmal zu den Nachbarn und in die
Kirche. Erst nach Ablauf dieser Zeit geht sie mit dem Säugling zur Kirche und wartet
draußen, bis der Geistliche die vorgeschriebenen Gebete verlesen hat und ihr den Eintritt
in die Kirche gestattet: hieraus nimmt er das Kind auf seinen linken Arm und trägt es
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch