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ermüdender Arbeit sind sie nicht gewachsen, doch sind sie keineswegs träge und arbeitsscheu
zu nennen. Ausdauer ist zwar nicht ihre starke Seite und ihr Geduldfaden reißt bald, doch
ist ihr Fehler mehr der Mangel an Unternehmungslust und -sinn. Für Handel und
Geldgebahrnng taugt der Ruthene absolut nicht. Von dem praktischen Sinn des Slovaken
hat er nichts abbekommen. Zum Hausiren und Gewerbetreiben hat er weniger Lust als
zur Landwirthschaft. Ackerbau und Viehzucht sind seine ganze Beschäftigung, doch kennt
er auch von diesen beiden Zweigen der Landwirthschaft nur die primitivsten Elemente.
Er treibt beide nur eben soweit, daß ihm seine Vorräthe über den Winter weghelfen. Die
Zukunft wird werden, wie Gott will tjak duk ckash, tak ducke), sagt ihr Sprichwort.
Deshalb trachtet er auch nicht, die neueren Errungenschaften heimisch zu machen. So gibt
es anf der Verchovina noch mehr hölzerne als eiserne Pflüge. Die Blyachen banen außer
Mais kaum noch etwas, höchstens ein wenig Kartoffeln und Bohnen. Daher brauchen sie
keine Scheunen, sie haben ja nichts zu drescheu. Der Huzule und der Bojke bauen zumeist
Hafer; aber sie haben anch Herbstgetreide, Kraut, Pferdebohnen und Kartoffeln. Die
Lemaken habeu in ihrem Landbau noch am meisten System. Auch haben sie den meisten
Raum dazu. In Bereg kommt unterhalb von Szolyva und in Ung unterhalb von Berezna
auch Weizen schon fort, aber man baut doch zumeist nur Roggen und Gerste. In der
Nachbarschaft der Slovaken werden auch Erbsen, Linsen, Rüben, Hirse (prosc») und
Heidekorn gebaut. Hier ist auch die Scheune nicht mehr zu entbehren, uud daher kommt
es wohl, daß sie ans Haus angebaut wird. Nur sie bauen so viel, daß davon auch für
den Verkauf bleibt. Der Zempliner Lemak handelt unter den benachbarten Rnthenen mit
Kraut, Rüben, Rettigen und Haselnüssen. Die Bojken und Huzulen pflegen Alles in Allem
die Märkte der nächsten Ortschaften zu besuchen, aber auch wenn sie nichts zn verkaufen
haben und nichts kaufen wollen; und dann hält es jeder Ruthene für seine Pflicht, die
Pöeser Wallfahrt mitzumachen. In der maisbauenden Gegend, bei den Blyachen, bildet
der Mais die Hauptnahrung. Sie backen aus Maismehl Brot und verschiedene Kuchen,
kochen daraus den „Tokän", eine Art italienischer Polenta, die Pulißka und die saure
Tunke (maeanku). Grob gemahlen gibt ihnen der Mais Gries (krupa) und gekocht essen
sie ihn sogar in Körnern. Weizenbrote tragen sie nur in die Kirche, und diese kaufen sie;
das Osterbrod (paska) ist schon wieder nur aus Roggen. Starken Absatz finden auch die
Bohnen, die sie iu den Schoten (Ivpatkx) oder auch gestoßen zubereiten; ferner Kartoffeln
und Kraut. Sanerkrant wird überall gegessen, aber meist roh, höchstens mit Öl begossen,
auch der Krautsaft (rosiv, rosul, rosül) ist willkommen. Im Sommer, wenn der
Lebensmittelvorrath schon zur Neige geht, genießen sie alle möglichen rohen Sachen:
Gnrken, Holzbirnen, Krantstrünke (koöan), Rüben. Die Bojken und Huzulen nähren
sich hauptsächlich von Hafer. Aus Hafermehl backen sie das knchenartige Brot (vseipok),
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (6), Band 21
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (6)
- Band
- 21
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1900
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.25 x 21.79 cm
- Seiten
- 500
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch