Seite - 243 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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großgezogen, in gewisser Beziehung anch Sonderrechte erlangte. Doch selbst unter dem
furchtbaren Drucke, den die türkische Staatsgewalt auf die nicht mohammedanischen Ele-
mente ausübte, konnten die beiden Richtungen des Christenthums nie znr Eintracht
gelangen; ein unauslöschlicher Haß herrschte unter ihnen. Die Franciseaner beklagen sich
über die Schismatiker in viel schärferen Worten als über die Türken, und auch die Ortho-
doxen ziehen den Ungläubigen „dem falschen Lateiner" vor; beide Confessionen klagen sich
der Falschheit und List an — und beide haben zu jener Zeit Recht. Diese Eigenschaft wurde
unter dem despotischen Regime großgezogen und war im Grunde mir die Erbschaft der
bosnischen Theilfürsteuthümer, wo man weder die private, noch die staatliche Treue
erlernen konnte.
Als nach dem eudgiltigen Falle von Jajce die christlichen Sclaven „mit gebundenen
Händen und gebrochenem Herzen", wie der türkische Geschichtsschreiber ausruft, nach
Constantinopel abgeführt wurden, war die ottomauifche Staatsmacht ihrem Gipfelpunkte
nahe. Die Festungen Bihae, Krupa und Novi ausgenommen, war beinahe das ganze
heutige bosuisch-hercegovinische Gebiet nicht nur erobert, sondern bald darauf auch nach
den oben skizzirten Satzungen des ottomanischen Staatsrechtes organisirt. Die türkische
Volkskraft eroberte Bosnien als letztes Bollwerk der Balkanhalbinsel und hier blieb sie
auch die längste Zeit wirksam nnd besonders zäh in ihrem Widerstande. Der Geist, der
die Jauitscharen in diesem Jahrhundert beseelte, die Idee des heiligen Krieges, fand hier
lauten Widerhall. Die individuelle Kraft aller mohammedanischen Bosniaken konnte sich
in dem Gedanken einigen, daß Jeder das heilige Recht habe, mit dem Schwert in der
Fanst das Gut der Feinde seines Herrn an sich zn nehmen. In dieser Zeit der türkischen
Eroberung erzogen sich die Großsultane ebenso überzeugte als tapfere Werkzeuge, die dann
mit Talent und im Sinne ihrer Herren die Pläne derselben weiter schmiedeten. Ein solcher
türkischer Regenerator Bosniens ist vor Allem der große Nationalheilige Ehnsrew, dessen
Moschee zu Sarajevo heute noch im größten Ansehen steht.
Ehnsrew war ein Sohn des in Egypten gegen die Christen gefallenen Märtyrers
Beg Ferhad, der die Tochter des Sultans Bajazid, namens Deldschnka, znr Frau hatte.
Bon Jugeud auf in fortwährenden Kämpfen erzogen, kam er im Jahre 1506 nach Bosnien,
wo er zwölf Jahre lang blieb und das Land genau kenneu lernte. Damals erwarb er sich
in den Kämpfen an der Grenze jene Schulung, die ihm dann bei der gänzlichen Unter-
werfung des Landes sehr zustatten kam. Später wnrde er zwar in den Orient versetzt,
kam aber im Jahre 152(1 wieder nach Bosnien und verblieb hier durch 21 Jahre bis zu
seinem Lebensende. Er ist der einzige in der langen Reihe der bosnischen Statthalter, der
dnrch so lange Zeit diesem Lande vorstand und damit genügend Zeit hatte, um für dasselbe
zu wirken Die Stadt Sarajevo verdankt ihm das Ansehen, das sie in der islamitischen
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch