Seite - 349 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Zu Jungfrauen herangewachsen, werden sie, obwohl sie oft die sreiesten Gespräche
Erwachsener ohne Erröthen anhören, zur größten Keuschheit und Sittlichkeit herangezogen
nnd können in dieser Beziehung als Muster hingestellt werden. Die Mädchenehre ist das
theuerste Gut, welches sie besitzen, und das wissen sie standhaft zu vertheidigen.
Im Geiste der Volkstraditionen erzogen, erfahren sie früh, was die Bestimmung des
Weibes sei, und ihr ganzes Sinnen geht darnach, möglichst bald an den Mann zu kommen.
Und trotzdem dürfen sie es nicht wagen, durch Koketterie oder Entgegenkommen ihr Ziel
zu erreichen. Sie wissen recht gut, daß, wie sich auch ihr Herz entscheiden mag, doch nur
der Wille des Vaters ausschlaggebend ist, und da sie keine anderen Mittel zur Erreichung
ihres Zieles anwenden dürfen, behelfen sie sich mit Beschwörungen und mit Liebeszauber.
So wie den modernen Mädchen die Blumen- und Fächersprache ein eigenes Studium
bildet, so ist es der Liebeszauber dem bosnischen Landmädchen.
Besonders ist der St. Georgstag diesem Zauber gewidmet, und die Formeln, mit
welchen das Schicksal beschworen wird, dem Madchen möglichst bald einen Mann nach
ihrem Sinne zu bescheeren, sind sehr zahlreich. Schon am Vorabend des Festtages suchen
Mädchen einen Ameisenhügel auf, bringen ihn nach Hause, werfen ihn auf die Traufe, und
sprechen dreimal den Spruch: „die Ameisen aufs Haus, die Hochzeiter ins Haus." (Mavi
u? ku<w, svawvi u kueu.) Am Georgstage früh Morgens vor Tagesgrauen
schleicht das Mädchen zum Bache oder zur Quelle, entkleidet sich und spricht, nach dem
klaren Bade zur Sonne gekehrt: „Ich badete in meinem Glauben, vor Gottes Sohn (d. i.
der Sonne) und dem Morgenstern, der Weltpupille." se umiti svHim Zinom, koHim
sinom, 2^0260111 äanieom, sve^a sviMa Genicom.) Dann kleidet sie sich an und spricht:
„Ich kleide Weiß auf Roth, ich bezaubere Klein und Groß, wie die Biene bei der Frucht,
so sei der Liebste bei Besuch!" odukvk bi^elo na rumeno, pornainik malv i
Fvlerno, kako peela po roäu, tako ckra^i na poboäu.) Das Kämmen nimmt sie mm im
Garten vor einem Zwiebelbeet auf einem Seile und auf einem Wäscheklopfer stehend vor,
damit das Haar „so breit wie ein Wäscheklopfer und so lang wie ein Seil" werde. Wenn
sie mit der Toilette fertig ist und in den Kreis der anderen Mädchen tritt, nmrmelt sie
den Wunsch : „In Flur und Wald die Schafe, und auch mich beschien die Sonne; der
Liebste aber denke nicht an den Wald, sondern an mich, wie an die Waldfee." (?c> livackain
i Avramg, ovce, i rnsno odasjalc» ?unce: nit ?na«z ckraZi goru, ve6 nie, kac>
Avrsku vilu.) Dann werden sich die Mädchen mit den Händen wohl auch an der
Dachkante (Traufenkante) festhalten und schaukeln und den Spruch hersagen: „Ich rüttle
nicht an der Traufe, sondern an meinem Glücke. Es entzünde sich weder das Gras auf
Erden, noch im Walde das Blatt, noch am Wasser der Schanm, sondern meines Liebsten
Herz nnd Lunge nach mir!" sXs ckrmam j^a strokom, vee svosom sreeom: nit se
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch