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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
Seite - 392 -
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392 echter, urwüchsiger Poesie nie ganz versiegt war, ja gerade in seiner tiefsten Erniedrigung am ausgiebigsten und reinsten sprudelte. Nach der türkischen Invasion (1463) verlor Bosnien jeden Zusammenhang mit der westlichen Civilisation; es verkam geistig und materiell. Allein so schwer auch das Joch brutaler Fremdherrschaft auf ihr lastete, war wenigstens die christliche Naja nie vollständig verstummt. Der gepressteu Volksseele entrangen sich immer wieder jene ebenso ergreifende» als herrlichen Klagelieder, welche, von freundlichen Feen von Weiler zu Weiler getragen, die Eriuueruugeu au eine schönere Vergangenheit wach erhielten und den Glauben an eine bessere Zukunft befestigten. Selbstverständlich verherrlichten auch die slavischen Mohammedaner Bosniens ihre häufigen Kriegszüge gegen die benach- barten Länder in Heldengesängen, welche bereits aufgesammelt und zum Theile auch schon publieirt sind. Sie bilden die liebste Leetüre in den Kaffeehäusern; findet sich ein Vorleser, dann lassen in der Regel auch die leichtlebigsten Juugeu ab vom Spiele, nnd manchem Graubart geht der Cibuk aus, ein gewiß nicht zu unterschätzender Triumph der im Volksliede verkörperten Schönheit. Die den Anhängern aller Glaubensbekenntnisse gemeinsame Lyrik, welche für jede Regnng des Gemüthes ihre eigenen süßen Melodien findet, beweist, daß die Bosnier und Hereegoviner trotz ihrer religiösen Fehden nie aufgehört haben, sich als eine und dieselbe Nation zu fühlen. Ihre Jahrhunderte hindurch währende Abgeschlossenheit nach Außen hatte zur Folge, daß sich einerseits die Sprache in ihrer ursprünglichen Reinheit erhielt, anderseits aber ihre traditionelle Literatur im Auslande so spät bekannt wurde. Die gebildete Welt war denn anch förmlich verblüfft, als sie durch Vuk Stefauovie- Karadzie die erste Kunde von diesem einzig schönen Liederschatze erhielt. Neben und uach Karadzic haben zahlreiche Sprachforscher und Sammler in diesen Ländern unermeßliche Schätze des Volksgeistes zu Tage gefördert, ohne die noch immer frisch sprndelnden Quellen zu erschöpfen. Nicht wenig zur begeisterten Anerkennung dieser Lieder trug der glückliche Zufall bei, daß deren Übertragung in andere Sprachen überwiegend geniale Übersetzer besorgten, und daß der greise Goethe, der selbst seine schönsten lyrischen Gedichte der Volksseele abgelauscht hatte, ihren Ruhm mit Feuereifer verbreitete. Viel früher und mächtiger wirkte diese Poesie auf die benachbarten Slaven, in erster Linie auf Dalmatieu und hier wieder auf Ragusa, dessen wichtigste Handelsstraße die Hereegoviua uud Bosnien durchquerte. Diese Berührung mag wohl das Meiste dazu beigetragen haben, daß sich in Dalmatien trotz des Einflusses der damals in Enropa maßgebenden italienischen Cultur eine slavische Literatur entwickelte und durch Jahr- hunderte blühte, so daß Ljndevit Gaj, als er daran ging, das tiefgesunkene kroatische
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Bosnien und Herzegowina, Band 22
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Bosnien und Herzegowina
Band
22
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1901
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.34 x 22.94 cm
Seiten
536
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
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