Seite - 89 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
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Brießcilage
Sudejkin und seine Garde im Auslande.
Der am 28. Dezember 1883 in Petersburg ermordete
Chef der dortigen geheimen Polizei D. Sudejkin war unter
den russischen Emigranten in Rumänien, der Türkei,
Österreich-Ungarn, der Schweiz, Frankreich, England und
Deutschland eine ebenso bekannte als gefürchtete und
gehaßte Persönlichkeit. In die Kreise der russischen Emi-
granten, deren Adressen er von Rußland aus genau kannte,
pflegte er sich auf die kühnste Weise einzudrängen. Am
häufigsten suchte er die Emigranten in öffentlichen Häu-
sern, als: Kaffee- und Gasthäusern, Theatern, Kirchen,
Geschäftshäusern usw. auf, wobei er sich verschiedene
falsche Namen beilegte und auch für einen der fremden
Sprachen nicht kundigen russischen Geschäftsmann sich
ausgab und den betreffenden Landsmann um allerlei ge-
schäftliche Auskünfte und private Gefälligkeiten ersuchte.
In Kaffeehäusern pflegte er alle Gäste, welche er mit
russischen Blättern in der Hand bemerkte oder vor denen
er russische Blätter liegen sah, anzusprechen und aus-
zuforschen. Häufig kam er in die Privatwohnungen der
Emigranten und stellte sich denselben als politischer
Flüchtling ohne Mittel vor, wobei er um pekuniäre
Unterstützung und um Empfehlung an andere Emigranten
bat. In diesem letzteren Falle trug er schäbige Kleider und
zerrissene Stiefel. Hat er mit dem einen oder dem anderen
russischen Emigranten eine gewisse Zeit lang verkehrt
und den Charakter und die Verhältnisse des betreffenden
Emigranten gehörig durchstudiert, dann machte er ihm
seine Propositionen: nach Rußland zurückzukehren und
ein „legales" Leben zu führen oder in Dienste der Polizei
zu treten oder im Auslande zu bleiben und Spionierdienste
zu leisten usw. Ließ sich der betreffende Emigrant dazu
niyht herbei, oder war derselbe überhaupt unnahbar, so
machte Sudejkin seine lokalen Spione auf einen solchen
„unverbesserlichen" Nihilisten besonders aufmerksam,
ließ Photographien desselben vervielfältigen, sandte Si-
gnaliments an russische Grenzbehörden und Gendarmerie-
Kommandanten ab und tat überhaupt alle Schritte, um
den betreffenden Emigranten im Auslande stets über-
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Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Titel
- Kronprinz Rudolf
- Untertitel
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Autor
- Julius Szeps
- Verlag
- Rikola Verlag
- Ort
- Wien - München - Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.6 x 19.54 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918