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Bei der Segmentierung von Texten in Textblöcke stellt sich die Frage, ob es eine „natürliche“ Einteilung
der Textblöcke in Informationseinheiten gibt. Dabei ist die Idee aufgetaucht, ob es gelingen könnte, Form
und Größe der Textblöcke als kognitive Einheiten, sogenannte „Chunks of Knowledge“, zu definieren
(Kuhlen, 1991, 80ff.): „Zur intensionalen Definition informationeller Einheiten hilft das 'chunk'-Konzept
auch nicht entscheidend weiter“ (S. 87). Kuhlen verweist auf Horn, der das Chunk-Konzept am konsequen-
testen umgesetzt habe und vier Prinzipien für die Unterteilung von Info-Blöcken unterscheide: „chunking
principle, relevance principle, consistency principle“ und „labeling principle“. „Aus dieser knappen Dis-
kussion kognitiver Einheiten und deren kohäsiven Geschlossenheit läßt sich die Einsicht ableiten, daß we-
der Umfang noch Inhalt einer informationellen Einheit zwingend festgelegt werden kann“ (S. 88). Eine zu
große Einteilung der Texteinheiten kann das Hypertext-Prinzip Granularität konterkarieren, das heißt, der
Benutzerin oder dem Benutzer wird dann gar nicht mehr deutlich, dass sie/er einen Hypertext vor sich hat.
Lowyck und Elen (1992) schildern diese Form drastisch so: „When larger pieces of information are given
the hypermedia environment is used as an integrated pageturner and audio- or videoplayer. When hyperme-
dia would be used instructionally a highly branched version of programmed instruction is offered. This kind
of instruction does not stem from a cognitive but from a behavioristic background“ (S. 142). Die Aufsplit-
terung in zu kleine Informationseinheiten kann ihrerseits zu einer Atomisierung der Information führen,
was sich möglicherweise auf die kognitive Rezeption durch die Benutzer/innen auswirkt: Sie können keine
Zusammenhänge mehr entdecken, sie können nicht „verstehen“.
Die verschiedenen Hypertext-Systeme fördern die eine oder die andere Seite dieses Problems, sofern sie
auf dem Datenbank-Konzept oder dem Kartenprinzip beruhen (kleine Einheiten) oder die Organisation in
Dokumenten präferieren (größere Einheiten). Nicht immer ist die Basiseinheit der Knoten, es kann auch
Knoten kleinerer Größe innerhalb von Rahmen oder Fenstern geben, zum Beispiel ein Wort, ein Satz, ein
Absatz, ein Bild. Diese Differenzierung verweist auf eines der Grundprobleme von Hypertext, das in der
Hypertext-Terminologie als Problem der Granularität bezeichnet wird. Dass die Granularität nicht leicht
zu entscheiden ist (nach dem Motto „je kleiner desto besser“), zeigt eine Untersuchung von Kreitzberg und
Shneiderman (1988). Sie vergleichen in einem Lernexperiment zwei Hypertext- Versionen, von denen die
eine viele kleine, die andere wenige große Knoten aufweist. Zwar kommen die Autoren in ihrer Untersu-
chung zu der Folgerung, dass die Version mit den kleineren Knoten bessere Resultate zeitigt (gemessen
durch richtige Antworten auf Fragen zum Text in Multiple-Choice-Tests), doch Nielsen (1995) macht plau-
sibel, dass dieses Ergebnis wahrscheinlich von einer speziellen Eigenschaft von HyperTIES abhängig ist,
die nicht für andere Hypertext-Systeme gilt, denn HyperTIES ist eines der Hypertextsysteme, die zum An-
fang eines Artikels verlinken und nicht zu der Stelle innerhalb des Artikels, an der sich die Information be-
findet, auf die der Ausgangsknoten verweisen soll. Aufgrund dieser Eigenschaft ist HyperTIES besonders
leicht handhabbar, wenn der Text aus kleinen Knoten mit genau einem Thema besteht, so dass klar ist, wor-
auf der Link verweist (S. 137ff.).
Einer Zersplitterung kann durch intensive Kontextualisierung der Chunks entgegengewirkt werden. Die-
ser Weg wird bei Kuhlen (1991) an Beispielen aus Intermedia diskutiert (S. 200). Die Kontextualisierung,
die der Zersplitterung vorbeugen soll, muss nicht nur wie in den Intermedia-Beispielen aus reichen Kontex-
ten innerhalb des Systems bestehen, sondern kann auch durch den gesamten pädagogischen Kontext sicher-
gestellt werden wie in den konstruktivistischen Experimenten zum kooperativen Lernen in sozialen Situa-
tionen (Brown & Palincsar, 1989; Campione et al., 1992).
Canter et al. (1985) unterscheiden fünf Navigationsmethoden: Scannen, Browsen, Suchen, Explorie-
ren, Wandern. McAleese (1993) unterscheidet die Navigationsmethoden analog zu dem aus der Lernfor-
schung bekannten Konzept des entdeckenden Lernens oder problemorientierten Lernens. Kuhlen (1991)
unterscheidet, eher in Anlehnung an die strukturellen Eigenschaften von Hypertexten, folgende Formen des
Browsing (S. 128ff.):
gerichtetes Browsing mit „Mitnahmeeffekt“,
gerichtetes Browsing mit „Serendipity“-Effekt,
ungerichtetes Browsing und
assoziatives Browsing.
Die Klassifikation von Navigationsmethoden in Hypertexten ist abhängig von dem jeweiligen Interpretati-
onsraster der Autorinnen und Autoren. Das Augenmerk kann dabei auf der Hypertext-Struktur, den ange-
strebten Lernmethoden oder auf Prozessen der Arbeit liegen, die mit dem Hypertext-Werkzeug erledigt
werden sollen. Zwei Fragen ergeben sich daraus:
Wie wirken sich die unterschiedlichen Navigationskonzepte auf die Gestaltung von Hypertext aus?
Wie wirken sich die unterschiedlichen Navigationsmethoden auf die Lernenden aus?
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569