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L3T - Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
Seite - 358 -
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358 Im Kontext des Lernens und Lehrens mit neuen Technologien werden insbesondere Theoriebildung und Forschungsergebnisse der Genderforschung in der Technik rezipiert. Auf die Zusammenhänge von Gender und Technologie wird daher auch schwerpunktmäßig in der Folge eingegangen. Bis in die späten 1980er Jahre war das Konzept des technologischen Determinismus das vorherrschende Modell in der Gender- und Technologiedebatte. In dieser mittlerweile in den Sozial- und Kommunikations- wissenschaften als überholt angesehenen Theorieströmung wird davon ausgegangen, dass Technik soziale, politische und kulturelle Veränderungen beziehungsweise Anpassungen nach sich zieht und dass sozialer und kultureller Wandel eine Folge technologischer Entwicklungen seien. Die feministische Forschung in der Tradition der Gleichheitsansätze konzentrierte sich dabei primär auf die Fragestellungen dahingehend, wie technologische Entwicklungen Gender-Hierarchien reproduzieren können. Der Tenor ging weitgehend in die Richtung pessimistischer Einschätzungen im Hinblick darauf, dass Frauen Raum im Bereich der männlich dominierten und patriarchal organisierten Technologie zugestanden werden könnte. Technologie wurde primär als eine negative Kraft betrachtet, die Geschlechterhierarchien vielmehr reproduziert und da- mit eine weitere Verfestigung der strukturellen Benachteiligung von Frauen fördert, als zu einer Transfor- mation der Geschlechterverhältnisse beizutragen. Diese negative Sichtweise der Bedeutung von Technologien für die Geschlechterfrage wich in der wei- teren Entwicklung feministischer Theorien positiveren Vorstellungen, die sich insbesondere der Betrach- tung von Frauen als Opfer der gesellschaftlich-technischen Gegebenheiten entgegenstellten. Die bahnbre- chenden Arbeiten von Haraway (1991), die in ihrem „A Cyborg Manifesto“ dazu ermutigt und auffordert, das positive Potential von Technologien wahrzunehmen, sind kennzeichnend für diese Perspektivenände- rung in der Gender- und Technologiedebatte. Im Kontext neuer Technologien wird hier insbesondere auf Möglichkeiten hingewiesen, die das Internet für die Exploration von oder das Experimentieren mit neuen und anderen Aspekten des Selbst bieten kann (Turkle, 1995). Das Verständnis von Technologie als soziale Konstruktion („Social Construction of Technology“, Pinch & Bijker, 1985) kann als impulsgebend für die feministische Forschung angesehen werden. Es wird davon ausgegangen, dass nicht die Technologie das menschliche Handeln bestimmt, sondern dass das menschliche Handeln die Technologie bestimmt. Die Art und Weise, wie Technologie verwendet wird, kann nicht ohne den sozialen Kontext, in den sie eingebettet ist, verstanden werden. Vertreter/innen dieser Theorie gehen davon aus, dass Technologie deshalb „funktioniert“ beziehungsweise „nicht funktioniert“, weil sie von be- stimmten sozialen Gruppen akzeptiert beziehungsweise nicht akzeptiert wird. Zentral aus der Genderper- spektive ist hier das Konzept der interpretativen Flexibilität; das bedeutet, dass Technologien bei unter- schiedlichen sozialen Gruppen unterschiedliche Bedeutungen haben können. So kann Lerntechnologie für Lernende eine Bedingung darstellen, die Partizipation an Lernprozessen überhaupt erst ermöglicht. Für Lehrende wiederum kann die Möglichkeit einer qualitativen Verbesserung von Lehr-/Lernprozessen im Vordergrund stehen, während auf strategischer Ebene die Notwendigkeit des Reüssierens am (Weiter-) Bil- dungsmarkt im Vordergrund stehen kann. Derartige „relevante soziale Gruppen“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein gleiches (beziehungswei- se zwischen den Gruppen divergierendes) Verständnis der Bedeutung der Technologie haben. Dieses Ver- ständnis ist dafür bestimmend, wie die Technologie gestaltet wird. Designentscheidungen orientieren sich so an den jeweiligen Kriterien der spezifischen Gruppen. Beim oben genannten Beispiel könnten dies ne- ben einer Vielzahl anderer Kriterien für die Lernenden die Eignung für mobile Applikationen, für Lehrende die Möglichkeit, didaktische Funktionalitäten abzubilden, und Adaptierbarkeit sein. Auf Ebene der Organi- sation wiederum können Servererfordernisse oder auch die Anbindungsmöglichkeit an die hauseigenen Verwaltungssysteme die relevanten Kriterien sein. Wenn Technologien also in unterschiedlichen sozialen Gruppen jeweils unterschiedliche Bedeutungen haben, gibt es folglich auch entsprechend viele unterschied- liche Arten, Technologien zu gestalten. Diese Sichtweise impliziert eine Sichtweise des Prozesses der Tech- nikgestaltung als grundsätzlich verhandelbar und offen. Sehr schön zu beobachten war dieser Aushand- lungsprozess in der Entwicklungsgeschichte von Lernplattformen, die ursprünglich sehr stark an der Tech- nik orientiert waren, und bei denen erst in einem zweiten Entwicklungsstadium didaktische Aspekte ver- stärkt in den Vordergrund gestellt wurden. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die „relevanten sozialen Gruppen“, die in Verhand- lungen beziehungsweise Kontroversen im Hinblick auf eine neue Technologie treten, derzeit noch nur zu einem geringen Teil aus Frauen bestehen und damit tendenziell eine genderspezifische Analyse nicht statt- findet, entsteht hier ein Verständnis von Technologie, das entscheidend durch die sozialen Umstände sowie Gegebenheiten und damit natürlich auch durch die Geschlechterverhältnisse geprägt wird, in denen die Technologie entsteht.
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L3T Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
Titel
L3T
Untertitel
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
Herausgeber
Martin Ebner
Sandra Schön
Verlag
epubli GmbH
Ort
Berlin
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 3.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
594
Schlagwörter
L3T, online
Kategorie
Lehrbücher

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 1
  2. Einführung 11
  3. Von der Kreidetafel zum Tablet 27
  4. Die Geschichte des WWW 39
  5. Hypertext 51
  6. Geschichte des Fernunterrichts 65
  7. Informationssysteme 75
  8. Webtechnologien 89
  9. Multimediale und interaktive Materialien 99
  10. Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
  11. Human-Computer-Interaction 117
  12. Didaktisches Handeln 127
  13. Medienpädagogik 139
  14. Systeme im Einsatz 147
  15. Kommunikation und Moderation 157
  16. Forschungszugänge und -methoden 167
  17. Planung und Organisation 177
  18. Literatur und Information 185
  19. Die „Netzgeneration“ 201
  20. Multimedia und Gedächtnis 209
  21. Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
  22. Prüfen mit Computer und Internet 227
  23. Blogging und Microblogging 239
  24. Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
  25. Educasting 257
  26. Game-Based Learning 267
  27. Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
  28. Offene und partizipative Lernkonzepte 287
  29. Qualitätssicherung im E-Learning 301
  30. Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
  31. Lernen mit Videokonferenzen 319
  32. Simulationen und simulierte Welten 327
  33. Barrierefreiheit 343
  34. Genderforschung 355
  35. Zukunftsforschung 363
  36. Kognitionswissenschaft 373
  37. Diversität und Spaltung 387
  38. Lern-Service-Engineering 397
  39. Medientheorien 405
  40. Das Gesammelte interpretieren 413
  41. Wissensmanagement 421
  42. Sieht gut aus 427
  43. Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
  44. Interessen und Kompetenzen fördern 445
  45. Spielend Lernen im Kindergarten 455
  46. Technologieeinsatz in der Schule 465
  47. Technologie in der Hochschullehre 475
  48. Fernstudium an Hochschulen 483
  49. Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
  50. E-Learning in Organisationen 497
  51. Erwachsenen- und Weiterbildung 507
  52. Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
  53. Sozialarbeit 525
  54. Human- und Tiermedizin 531
  55. Online-Labore 539
  56. Mehr als eine Rechenmaschine 547
  57. Bildungstechnologien im Sport 557
  58. Fremdsprachen im Schulunterricht 569
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