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Ein KNN (in der Regel eine Computersimulation, es sind aber auch physische Umsetzungen möglich)
besteht aus vielen sehr einfachen, identisch aufgebauten Einheiten, die als Units oder künstliche Neuronen
bezeichnet werden und über sogenannte Gewichte (diese simulieren in sehr vereinfachter Weise die Funkti-
on von Synapsen) untereinander verbunden sind. Typischerweise haben KNN, welche für die Modellierung
kognitiver Leistungen herangezogen werden, eine Schicht von Units, der Stimuli präsentiert werden (engl.
„input layer“), eine Schicht von Units, die etwas ausgeben (engl. „output layer“) sowie eine oder mehrere
Schichten dazwischen (engl. „hidden layer“), die jeweils linear oder rekursiv miteinander verbunden sind.
Die Aufgabe/Funktion jeder einzelnen Unit besteht darin, die Aktivierungen der eingehenden Verbin-
dungen zu integrieren und an die jeweils benachbarten weiterzugeben. Dies geschieht durch einfaches Auf-
summieren der gewichteten Inputs und Weitergabe der eigenen Aktivierung, wenn diese einen bestimmten
Schwellenwert überschreitet. Dies wird von allen Units parallel durchgeführt und konstituiert das Gesamt-
verhalten des KNN. Wesentlich ist, dass diese Netze in ihrer Architektur (meist) fest „verdrahtet“, die Ge-
wichte aber veränderbar sind. In Kombination mit den Inputs aus der Umwelt sind die Gewichte für die
Verhaltensdynamik des Netzwerks verantwortlich. Anstatt die Gewichte von Hand einstellen zu müssen,
wurde in den frühen 1980er Jahren ein Algorithmus gefunden, der die schrittweise Veränderung der Ge-
wichte in einem Trainingsprozess in einer Weise durchführt, dass das Netz seine Aufgabe schließlich fast
perfekt lösen kann: KNN können ohne Eingabe von Regeln und Symbolen, nur anhand von Beispielen, mit
denen sie trainiert werden, lernen. Nach jeder Aufgabe bekommen sie ein Feedback, ob die Antwort richtig
oder falsch war, indem ihre Gewichte ganz minimal in Richtung der korrekten Lösung verändert werden,
bis sie fast zu 98 Prozent richtig liegen. Allerdings können sie nicht alle Aufgaben gleichermaßen gut lö-
sen. Gut sind sie, kurz gesagt, bei Mustererkennung, Kategorisierungsaufgaben, Vorhersage von Wahr-
scheinlichkeiten, etc. Modelle von Aspekten menschlicher Kognition, die auf KNN basieren, weisen einige
sehr charakteristische Eigenschaften auf (ausführlicher behandelt z.B. in Elman, Bates, Johnson, Karmiliff-
Smith, Parisi & Plunkett, 1996):
Bei Kategorisierungsaufgaben kann ein KNN generalisieren. Trainiert man ein solches Netz zum
Beispiel dazu, Bilder von Gesichtern zu erkennen und zeigt ihm ein Gesicht, das es nicht im Rah-
men seines Trainings „gelernt“ hat, kann es dieses mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Kate-
gorie „Gesicht“ zuordnen.
Sie können dieselben Fehler bei der Generalisierung machen wie Menschen. Zum Beispiel überge-
neralisieren Kinder beim Spracherwerb häufig unregelmäßige Formen, wenn sie Grammatik lernen,
sagen zum Beispiel „goed“ (gehte) statt „went“ (ging).
Die Lernkurve gleicht häufig der, die bei Menschen gefunden wurde: KNN lernen zunächst sehr
schnell, dann flacht die Lernkurve zusehends ab.
Auch wenn das Netz richtige Antworten liefert, kann es sein, dass das, was es gelernt hat, nicht der
Intention der Architekten/innen des Netzes entspricht. So unterschied ein KNN, das lernen sollte
Gesichter voneinander zu unterscheiden, die gezeigten Bilder auf Basis des Haaransatzes voneinan-
der.
Das in einem KNN repräsentierte Wissen ist in zweifacher Weise robust: (1) Beim Lernen eines
neuen Assoziationspaares „vergisst“ das Netz nicht das bereits Gelernte; (2) auch vergisst das Netz
nicht schlagartig alles, wenn man einzelne Neuronen und Gewichte entfernt.
Mit diesen Eigenschaften stellten KNN noch keinen grundsätzlichen Widerspruch zur klassischen Sicht auf
Kognition dar. Man konnte sie durchaus als eine Ergänzung begreifen, die eine Erklärung lieferte, wie
durch Lernen (von Kategorien) Symbole „in den Kopf kommen“ können. Allerdings stellte sich die Frage,
welcher Natur diese Symbole denn seien. In neuronalen Netzwerken sind Symbole und Regeln nicht sauber
voneinander getrennt „abgespeichert“, vielmehr ist alles, was das Netz „weiß“ in der gesamten Architektur
des Netzes, das heißt in allen Neuronen, allen Gewichten und deren Konfiguration, verteilt repräsentiert.
Man spricht daher auch von einem subsymbolischen Ansatz (Rumelhart et al., 1986; Smolensky, 1998; El-
man, 1990).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Titel
- L3T
- Untertitel
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Herausgeber
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Verlag
- epubli GmbH
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 594
- Schlagwörter
- L3T, online
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569